Zodius: Gegen den Sturm (German Edition)
China-Lokal in dem Komplex über uns gehört. Sie veranstalten jeden Mittwoch eine spätnächtliche Pokerrunde in ihrer Küche. Wenn sie gewinnen, kann ich sie immer dazu überreden, etwas für mich zu kochen.«
»Und wenn du gewinnst?«, fragte sie, als er am Ende des Flurs stehen blieb und eine Tür aufdrückte.
»Ich spiele niemals um Geld. Aber ich genieße das Ritual zu beobachten, wie alle anderen Unsummen an Mister Ling verlieren, der immer gewinnt. Und ganz gleich, wie oft die immer gleichen Leute gegen ihn verlieren, sie kommen stets zurück, um sich noch mehr ausnehmen zu lassen. Es ist schlimmer als bei Soldaten, die in der Grundausbildung darum betteln, bestraft zu werden.«
Sie ging an ihm vorbei, ihre Blicke berührten einander flüchtig, und Beccas Magen flatterte, als sie in die Diele seiner Wohnung trat. »Es fällt mir schwer zu glauben, dass du nicht um Geld spielst.« Sie ließ den Blick durch das Apartment schweifen und stellte fest, dass es sehr einfach eingerichtet war – ein Ort zum Leben, aber kein Zuhause. Es gab ein braunes Ledersofa, einen passenden Sessel und einen lederüberzogenen Couchtisch mit integriertem Polstersitz. Nicht viel mehr.
»Ich werde niemals auch nur ein Zehncentstück in die Richtung eines Casinos werfen«, erklärte er, trat ein und schloss die Tür, wobei er ihr so nahe kam, dass sich ihre Schultern berührten. Beim Gefühl seiner Nähe biss sich Becca auf die Unterlippe. Hatte sie jemals einen Mann so heftig begehrt wie ihn?
Er deutete auf einen schlichten Tisch im rechten Teil des Wohnbereichs. »Wie gesagt. Nichts Spektakuläres.« Er stellte die Tüte mit dem Essen auf den Tisch, ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Über die Küchentheke hinweg sprach er weiter. »Sunrise City ist mein eigentliches Zuhause. Diese Räumlichkeiten nutze ich nur zeitweise, bei Bedarf.«
»Komisch«, sagte sie, ließ sich auf einen Stuhl sinken und nahm die Styroporbehälter aus der Tüte. »Ich habe dich wirklich total für eine Spielernatur gehalten.«
Gemächlich ging er zum Tisch zurück und stellte eine Cola auf der Platte ab. »Ich hab dein Lieblingsgetränk besorgt.« Er setzte sich neben sie ans Tischende und öffnete seine Dose Dr. Pepper. »Und ich halte meinem alten Favoriten die Treue.« Er nahm einen Schluck. »Ich bin jemand, der Risiken eingeht, aber kein Spieler. Ich habe es unter Kontrolle, wenn ich ein Risiko auf mich nehme. Das Glücksspiel würde umgekehrt mich kontrollieren. Damit will ich nichts zu tun haben.«
»Ich verstehe«, sagte sie. »Du bist ein Kontrollfreak.«
Er grinste. »Nein. Kontrolle ist eine Illusion. Keiner von uns hat die Dinge wirklich unter Kontrolle. Wir machen uns nur selbst etwas vor, weil wir das denken wollen.«
Becca griff sich ihre Coladose und öffnete sie, darauf bedacht, sich ihre Reaktion auf seine Worte nicht anmerken zu lassen. Sie drangen direkt in ihr Inneres und schnürten ihr die Kehle zu. Niemand wusste besser als sie, wie wahr seine Bemerkung war; immerhin hatte sie eine Krebsdiagnose durchlitten.
Sie setzte die Dose an und trank, während Sterling fortfuhr: »Also setze ich einfach alles auf eine Karte, wenn ich muss. Leben oder sterben. Ich gehe einfach aufs Ganze.«
Ein heftige Gefühlsregung schoss Becca jäh durch den Leib – nur dass sie wusste, dass es nicht ihre eigenen Gefühle waren.
Rasch blickte sie ihm in die Augen, und das Herz rutschte ihr in die Hose. »Du hast keine Familie«, sagte sie, fest davon überzeugt, dass es die Wahrheit war. »Du machst dir keine Sorgen über Leben oder Sterben, weil du denkst, dass es niemanden groß interessiert, wenn du nicht mehr da bist.«
Er zog die Augenbrauen in die Höhe und starrte sie an. Seine Miene blieb für mehrere Sekunden unbewegt. Dann öffnete er den Deckel von einem der Behälter. Sofort stieg ihr der verlockende Duft von dampfendem Essen in die Nase und ließ ihren Magen knurren. »Würziges Rindfleisch«, sagte er. »Plus eine Extraportion Sojasoße für den weißen Reis.«
»Du willst wohl nicht darauf antworten …« Mitten im Satz brach sie ab und warf einen zweiten Blick auf das Essen. »Woher wusstest du, was ich mag? So detailliert sind eure Akten über mich doch sicher nicht.«
»Dann hatte ich also recht«, erwiderte er. »Wow. Das ist wirklich seltsam. Ich habe dort gestanden und mich mit Mister Ling darüber unterhalten, was ich für dich bestellen sollte, und irgendwie wusste ich es einfach. Genauso wie ich weiß,
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