Zoe und der maechtige Tycoon
zuletzt vor einem Jahr hier gewesen war, fiel ihm das unsichere Gehen auf Sand schwer, dabei war er es doch gewohnt. Gott allein wusste, wie viele Kilometer er auf diese Weise schon hatte zurücklegen müssen.
Nur zu gut erinnerte er sich noch an den metallischen Geschmack von Angst auf der Zunge, an die Furcht im Nacken und das kalte, stählerne Gefühl eines Gewehrlaufs im Rücken. Er hörte die johlenden, höhnischen Stimmen und spürte die Dunkelheit.
Die undurchdringliche Dunkelheit, die er hasste und fürchtete.
Max fühlte sich so sehr an seinen Albtraum erinnert, dass er es kaum noch ertrug. Dabei war es neunzehn Jahre her, ein halbes Leben. Ein so starkes Déjà-vu-Erlebnis hatte er noch nie zuvor gehabt, zumindest nicht in wachem Zustand.
Kalter Schweiß perlte auf seiner Oberlippe. Mit purer Willensanstrengung zwang er sich weiterzugehen, bis er die letzte Düne überwunden hatte. Jetzt hörte er das Meer rauschen und konnte es riechen. Dies war nicht die Wüste, er war am Strand. An seinem Strand.
In dem gleißenden Sonnenlicht erahnte er Zoes Anwesenheit mehr, als dass er sie sah. Erleichterung überschwemmte ihn wie eine heiße Welle und machte ihn ganz schwach. Er ging weiter und blieb erst stehen, als er ihre grazile Gestalt erkennen konnte. Sie saß mit dem Rücken zu ihm auf dem warmen Sand und schaute aufs Meer hinaus.
Max schob die Hände in die Hosentaschen und wartete. Fragen, die er nicht zu stellen wagte, brannten ihm auf der Zunge: Warum bist du letzte Nacht in mein Zimmer gekommen? Warum bist du geblieben? Warum bist du gegangen? Er konnte sie nicht laut stellen, weil er Angst hatte. Angst vor ihren Antworten.
So stand er einfach nur da, lauschte dem Geschrei der Möwen und stellte sich vor, wie sie ihre Kreise vor dem blauen Himmel zogen.
Zoe spürte Max’ Anwesenheit … und ihre eigene Anspannung. Es war eine seltsame Mischung aus Verwirrung, Hoffnung, Erleichterung und Furcht. Er hatte sie offenbar gesucht und gefunden. Und jetzt stand er steif und stumm hinter ihr, und sie hatte nicht die leiseste Idee, was er dachte.
Bedeutete ihm die letzte Nacht ebenso viel wie ihr? Oder erinnerte er sich vielleicht gar nicht mehr daran?
„Du bist wach“, sagte sie in leichtem Ton, wandte sich lächelnd zu Max um und beschattete die Augen mit der Hand, um ihn besser sehen zu können.
„Ja.“
So viel Anspannung in einem einzigen Wort! dachte Zoe. „Es ist wundervoll hier draußen“, fuhr sie so ungezwungen wie möglich fort. „Ich habe mir den Sonnenaufgang über dem Meer angeschaut.“
„Das habe ich auch immer gern getan.“
Warum sprach er in der Vergangenheit? Und warum so voller Sehnsucht? Ihm gehörte doch dieses fantastische Strandhaus. „Bist du heute kein Frühaufsteher mehr?“, hakte sie nach.
„Kein Typ für Sonnenaufgänge.“
Sie lachte. „Ich normalerweise auch nicht, da ich selten derart früh aus den Federn komme.“
„Irgendwie überrascht mich das gar nicht.“ Die leichte Ironie nahm seinen Worten ihren Stachel. Und als Max sich dann auch noch so dicht neben sie setzte, dass sie seine Körperwärme spürte, dachte Zoe ohnehin an nichts anderes mehr als an das berauschende Gefühl, ihm so nahe zu sein.
„Als Kind war ich oft hier“, sagte Max. „Ich liebte diese Sommerurlaube am Meer.“
„Gehört dieses Haus deiner Familie?“
„Nein, wir haben immer ein kleines Cottage hier in der Nähe gemietet. Dieses Strandhaus habe ich vor fünf Jahren bauen lassen. Mein Ziel war es, dass jeder Raum von Licht erfüllt ist, egal zu welcher Tageszeit.“
Wieder sprach er in der Vergangenheit, als wäre sein Leben vorüber. Und irgendwie vermittelte er diesen Eindruck auch. Alles an ihm und um ihn herum wirkte abweisend, verschlossen, abgeschirmt vom Leben und von der Liebe.
Aber warum? Was hatte ihn zu dem gemacht, der er heute war?
„Wer ist Diane?“ Zoe spürte, wie Max sich noch mehr in sich zurückzog.
„Warum fragst du?“
„Du hast ihren Namen gestern Nacht erwähnt“, erklärte sie ruhig. „Du hast mich so genannt, darum frage ich.“
Sekundenlang hörte man nur das Rauschen des Meeres und das Geschrei der Möwen. „Sie war eine fliegende Krankenschwester zurzeit des ersten Golfkrieges und gehörte zur Besatzung der Hawkeye. “
Das kam völlig unerwartet. Zoe hatte an eine Bekannte aus der New Yorker High Society oder eine verflossene Geliebte gedacht. Oder sogar an eine Verlobte, was das Schlimmste gewesen wäre. Aber ein Crewmitglied
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