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Zoë

Titel: Zoë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Carmichael
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gegeben. Andererseits – ich weiß nicht, ob ich anders reagieren würde, sollte Bessie was passieren. Ich mag gar nicht dran denken.«
    »Wie ging’s dann weiter?«
    »Am nächsten Tag kam er vorbei und hat sich entschuldigt. Er hat gesagt, er würde sein Möglichstes für Bessie tun, aber im Grunde würde nur ein neues Herz helfen. Bessie war dann diejenige, die sich um Henry gekümmert hat. Sie hat begriffen, wie es um ihn stand, und hat ihn angeheuert, eine Skulptur für die Kirche zu gestalten. Oder, wie sie sich ausgedrückt hat – ›das zu tun, wofür er auf der Welt war.‹«
    Fred stellte Besen und Kehrschaufel in den Schrank und betrachtete die Packung mit dem Katzenfutter. »Also, wofür bist du auf der Welt, außer dafür, streunende Katzen zu füttern?«
    »Du lieber Himmel, das hab ich ganz vergessen vor lauter Reden!« Ich schnappte mir die Packung und raste nach draußen, dabei schmiss ich den Küchenstuhl um. Ich rannte über den Rasen zu der Holzkiste. Beide Schalen waren leer. Ich suchte mit den Augen das Gestrüpp ab. Entdecken konnte ich nichts, aber ich spürte, dass ich beobachtet wurde.
    Ich füllte eine Schale mit dem Futter und rannte zurück ins Haus, um Wasser zu holen. Fred drückte sich an die Wand, um nicht von mir umgerannt zu werden.
    »Warte mal!«, rief er, und ich blieb stehen. Er ging zu seinem Auto und nahm ein kleines, in Alufolie gewickeltes Päckchen vom Beifahrersitz. Er wickelte es halb aus und reichte es mir. »Bei uns gab’s gestern Wels zum Abendessen. Nach Henrys Anruf habe ich ein kleines Stück aufgehoben.«
    Ich füllte Wasser in den zweiten Napf und in den Graben ringsherum und legte das Stück Fisch oben auf das Katzenfutter. Fred wartete so lange auf mich beim Auto. Mit zusammengekniffenenAugen suchte er das Gestrüpp ab. »Glaubst du, der Kater hat was dagegen, dass ich hier bin?«
    »Nicht, wenn du Abstand hältst.«
    »So wie manche Menschen auch«, sagte Fred mit einem Seitenblick auf mich. »Sollen wir in die Stadt fahren, damit er ein bisschen Ruhe hat?«
    Ich trug das Katzenfutter zurück ins Haus, dann kletterte ich auf den Beifahrersitz. Als ich mich angeschnallt hatte, sah ich auf, weil Fred nicht losfuhr. Er saß stocksteif da und schaute durch das Fenster auf seiner Seite zur Kiste hinüber, den Zeigefinger auf den Lippen.
    »Knall die Tür nicht zu«, flüsterte er. »Dein Freund hat angebissen.«
     

 
    Das Wasser schmeckte süß, daran merkte er, dass sie ein guter Mensch war.
    Sonst trank er am Bach, aus Pfützen oder aus den natürlichen Schalen, die sich in Gräben oder Baumstümpfen bildeten. Jedes Wasser schmeckte anders – kräftig, bitter, sandig oder nach einem Gemisch aus Kalk und Lehm. So köstliches Wasser wie dieses hatte er lange nicht getrunken. Wie lange? Er erinnerte sich blass an die verrückte Alte oder – vor nicht ganz so langer Zeit – an die Mutter des Jungen, doch so wie sein Spiegelbild in der sich kräuselnden Oberfläche des Wassers wollten auch diese Erinnerungen nicht klar werden.
    An der Schale daneben war ihm alles fremd. Er schnüffelte an den unbewegt daliegenden kleinen Gestalten darin. Manche rochen nach Vogel, ohne Vogel zu sein; andere rochen nach Fisch, ohne Fisch zu sein. Er schnüffelte weiter an ihnen, behielt sie aber scharf im Blick, in der Erwartung, dass sie jeden Moment zappeln oder entwischen könnten. Er machte einen Versuch, diesen seltsamen Wesen einen Hieb mit der Pfote zu verpassen. Der zweite Hieb war schon fester, sodass der Napf kippte und etwas vom Inhalt herausfiel. Er hockte sich hin, sprungbereit für den Fall, dass eines dieser Wesen versuchen sollte, sich in Sicherheit zu bringen, davonzufliegen oder ihn zu necken, doch keines rührte sich von der Stelle.
    Er spähte hinauf zum Fenster des Mädchens. Er sah ihren Schatten, unbewegt, aber unverkennbar. Ohne den Blick von ihr zu wenden, bückte er sich zum Napf und nahm eines der seltsamen Wesen zwischen die Zähne, biss darauf, kaute, schluckte. Dann noch eines und noch eines, bis der Napf leer war.
    Was er am nächsten Morgen von ihr bekam, war besser. Im Fluss unterhalb des Hauses, das dem Mann gehörte, gab es zwar Fische, doch dieser war anders, das Fleisch war fest, aromatisch, würzig.
    Er leckte sich die letzten Reste von der Nase und den Schnurrbarthaaren und dachte an die Mutter des Jungen. Als der Junge noch nicht auf der Welt war, hatte er von ihr auch solche Leckerbissen bekommen, fast ein ganzes Katzenleben lag das

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