Zoë
eingebogen, da leuchtete auch schon das Blaulicht von Sheriff Beans Streifenwagen hinter uns auf. Der Sheriff war ein kleiner, rundlicher Mann mit Sonnenbrille und einem Cowboyhut, an dem vorn ein Stern steckte. Vorn an der Nase hatte er eine Warze, die mich an seiner Stelle dazu gebracht hätte zu schielen, und braun gefleckte Raucherzähne.
»Sieht ganz so aus, als wären uns da zwei gefährliche Verbrecher ins Netz gegangen«, sagte er streng, als er durch das Fenster auf der Fahrerseite ins Auto spähte. Dann schob er seine Sonnenbrille hoch, lächelte sein braunes Lächeln, und er und Fred lachten.
Als Fred und ich mit Einkaufen fertig waren, gingen wir zum Sheriff, der mir in seinem Büro die Fingerabdrücke nahm. Angeblich machte er das nur aus Jux, aber ich habe gehört, wie erFred zuflüsterte: »Also, für den Fall, dass sie mal verloren geht, haben wir das hier schon mal in den Akten.«
Seine vier Töchter seien alle schon aus dem Haus, erzählte er mir, und sollte es mir mal nicht mehr gefallen bei Henry – bei seiner Frau und ihm gäbe es jetzt mehrere freie Zimmer. Dann klingelte Freds Handy, und Fred schaute besorgt, aber es war bloß Bessie, die wissen wollte, wo zum Teufel wir steckten.
Fred und Bessie wohnten am Ende einer langen gewundenen Einfahrt, die zu beiden Seiten mit Sonnenblumen, Zinnien und Tagetes bepflanzt war. Auch rings um ihr großes Holzhaus reckten sich Blumen in allen Farben in Richtung Himmel oder quollen aus den Beeten. Bienen schwirrten neben gelben und blauen Schmetterlingen herum, grün-rote Kolibris schossen wie ein winziger fliegender Zirkus hin und her und hoch und runter durch die Luft. Einer kam sogar heran, schwebte eine Weile direkt vor meiner Nase und sah mich an. Es gab noch mehr Vögel, zum Beispiel Schwarzkopfmeisen, Spatzen, leuchtend rote Kardinäle und andere, von denen ich aber den Namen nicht wusste.
Fred erzählte mir, dass er hier früher Tabak angepflanzt hatte, doch das würde sich nicht mehr lohnen.
»Jetzt sorge ich nur noch dafür, dass es auf unserem Grundstück schön aussieht für Bessie, außerdem verkaufe ich Blumen an die feinen Blumenmärkte. Du glaubst ja nicht, was die Leute heutzutage für ein halbes Dutzend Sonnenblumen hinblättern«, sagte er.
»Wie viel?«
»Fünf oder sechs Dollar. Die Leute sind ausgehungert nach Schönheit, sagt Bessie.«
»Hm.« Der Gedanke, dass jemand nach Schönheit Hunger haben könnte, war neu für mich.
»Vor allem hat Bessie durch die Blumen immer etwas Schönes,was sie anschauen kann. Es ist schwer, wenn man so viel liegen muss.«
»Kann Henry sie nicht gesund machen?«, fragte ich.
»Nicht völlig. Er hat ihr eine Herzverpflanzung empfohlen, aber darüber will sie nicht mal nachdenken.«
»Ich wette, er könnte es.«
»Er hat es angeboten, aber darum geht es ihr nicht. Sie glaubt, das schlagende Herz macht einen Menschen zu dem, der er ist, und wenn sie ihr das Herz entfernten, dann wäre sie nicht mehr sie selbst. Sie ist sicher, sie würde mich nicht mehr erkennen, wenn ihr eigenes Herz ihr nicht mehr sagte, wer ich bin. Und was mit ihr geschehen könnte, wenn sie das Herz eines Fremden in der Brust trüge, daran will sie nicht einmal denken.«
Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Bessie hatte ungewöhnliche Ideen. Fred sah meinen Blick und sagte: »Es hat keinen Zweck, mit jemandem zu diskutieren, der von diesen Dingen überzeugt ist. Das wäre, als wollte man jemanden davon abbringen, an Engel zu glauben. An die glaubt sie übrigens auch.«
Er schüttelte den Kopf und parkte den Pick-up hinter einer alten Limousine, die nicht so aussah, als wäre in letzter Zeit mal jemand damit gefahren. Am Kofferraum klebte ein verblichener Aufkleber: Läuft und läuft und läuft … mit Gottes Hilfe.
»So was ist typisch Bessie«, sagte Fred. »Damit du schon mal eine Vorstellung hast.«
Danach betraten wir den gemütlichsten Ort, den ich je gesehen habe. Mitten im Zimmer stand ein Himmelbett, und darin lag, gestützt auf viele Kissen im Rücken, eine winzige alte Frau. Um das Bett herum standen breite, gut gepolsterte Sessel mit dicken Kissen und kunstvollen Quilts in vielen Farben. Die bunt gemusterten Vorhänge an den Fenstern schienen direkt aus den Geschichten aus Tausendundeiner Nacht zu kommen. Lampen ausgetöntem Glas warfen farbiges Licht an die Wände, Prismengläser an den Gardinenstangen ließen überall kleine zitternde Regenbogen tanzen. Auf einer Seite des Zimmers war eine offene
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