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Zoë

Titel: Zoë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Carmichael
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auf den da solltest du auch ein Auge haben«, sagte er und wies mit dem Kopf auf Fred.
    »Sowieso«, sagte ich und warf Fred einen Nimm-dich-bloß-in-Acht-Blick zu.
    Henry warf seinen schmierigen Lappen aus der Hand und sagte: »Kommt, gehen wir rein. Da drin ist’s wärmer.«
    Im Atelier räumte er Platz für uns frei, damit wir uns setzen konnten. Die drei dröhnenden Radiatoren sorgten für wohlige Wärme. Henry stellte einen Fuß auf einen Trittschemel und stützte einen Ellbogen auf dem abgewinkelten Knie auf. Ich nannte das seine Denker pose, nach der berühmten Skulptur des französischen Bildhauers Rodin. Eine Abbildung davon hatte ich in einem von Henrys Büchern gesehen.
    Der Sheriff wandte sich an Fred und mich. »Wie ich Henry eben schon erzählt habe – gestern sind zwei Jungen im Wald auf eine verrostete alte Destille gestoßen, etwa anderthalb Kilometer nach Norden, in der Nähe von Henrys Grundstücksgrenze. Sie haben da nach der Schule rumgehangen, haben Bier getrunken und rumexperimentiert.«
    »Ich wusste gar nicht, dass das Ding noch existiert«, meinte Fred.
    »Was ist eine Destille?«, fragte ich.
    »Eine Brennerei«, sagte er. »Wo man heimlich Schnaps brennt.«
    Der Sheriff nickte. »Die Jungs behaupten, sie seien da oben gewesen, um nach einer alten Hütte zu gucken, von der sie gehört hätten, auf die Destille und das Bier seien sie rein zufällig gestoßen.« Er sah uns alle skeptisch an. »Sie sagen, sie hätten ein Albino-Reh gesehen und seien ihm in den Wald hinterhergelaufen. Doch dann habe jemand auf sie geschossen, mit Pfeil und Bogen. Ich würde ja kein Wort von dem besoffenen Gerede glauben, hätte nicht der eine von den beiden – Hargrove, der Junge von Bürgermeister Peters – eine ganz ordentliche Wunde am Arm gehabt; beide waren sie blutbeschmiert.«
    Als der Sheriff die Hütte und das weiße Reh erwähnte, schlug mein Herz schneller, doch als er Hargroves Namen nannte, klopfte es so wild, als würde es mir gleich aus der Brust springen. Ich hatte Henry nichts von dem erzählt, was am Montag in der Schule passiert war. Nachdem ich mein Referat über Henry gehalten hatte, waren wir zum Mittagessen gegangen, weil ich mir aber noch schnell ein Buch aus unserem Klassenzimmer holen wollte, ging ich zurück und erwischte Hargrove dabei, wie er mit offenem Mund die Kunstbücher ansah, die ich auf meinem Platz hatte liegen lassen. Als ich ihn fragte, was das solle, zuckte er zusammen und lief dunkelrot an. Mit ein paar Schritten war ich bei seinem Tisch, griff in die Ablage, schnappte mir sein eselsohriges Notizbuch und fing an, in seinen Bleistiftzeichnungen von Hunden, Vögeln und Eichhörnchen herumzublättern. Pfeilschnell schoss Hargrove quer durch die Klasse, riss mir das Ding aus der Hand und stieß mich zur Tür, genau als Ms Avery hereinkam. Sie brachte uns sofort zum Schulleiter, und Hargrove musste sich vor seinemVater, dem Bürgermeister, vor mir entschuldigen. Am nächsten Tag war mein Tagebuch verschwunden.
    Ich setzte mein bestes Pokerface auf und sah erst Henry an, dann den Sheriff und schließlich Fred. Dem Himmel sei Dank für die langen Kartenabende mit Manny und seinen Zockerkumpeln.
    »Wie geht es dem jungen Peters?«, wollte Henry wissen.
    »Doc Wilson meint, eine Weile wird seine Baseball-Mannschaft wohl ohne ihn auskommen müssen, aber auf Dauer hat er kein Problem.«
    Henry nickte. »Und der andere Junge ist älter, sagtest du? Ein Cousin?«
    »Richtig«, antwortete der Sheriff. »Ich wette, die zwei haben getrunken und Hargrove hat sich an der alten Destille verletzt. Dann haben sie es mit der Angst gekriegt und auf dem Heimweg diese Geschichte zusammengesponnen, um keinen Ärger zu kriegen.« Der Sheriff schien nicht sehr glücklich über seinen Auftrag, und eilig schien er es damit auch nicht zu haben.
    »Klingt ganz nach zwei Vollidioten auf Sauftour«, sagte Henry.
    »Ich bin bloß hergekommen, um zu fragen, ob du vielleicht draußen auf deinem Land irgendwen hast herumstreichen sehen. Vor allem in dem nördlichen Teil, der an Maud Bookers Grundstück angrenzt.«
    Henry guckte mürrisch, als der Sheriff Maud erwähnte, während ich vor Schreck fast einen Satz rückwärts gemacht hätte.
    »Weiß Maud Bescheid?«, fragte Fred. »Wenn auch nur das Gerücht von einem weißen Reh die Runde macht, dann sind ihm die Jäger auf den Fersen, denen ist es dann völlig egal, ob das privates Gelände ist oder nicht.«
    »Warst du in letzter Zeit mal da

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