Zoë
»Und ein schönes Erntedankfest.«
»Gleichfalls«, sagte der Sheriff.
Fred begleitete den Sheriff zum Streifenwagen. Henry schnitt ein Gewinde in einen Bolzen und sah mich dabei an. »Gibt es vielleicht irgendetwas, worüber wir reden sollten?«
Ich zögerte einen Moment. »Die Dame, die der Sheriff erwähnt hat, Maud Booker, die war kürzlich hier. Als du das letzte Mal nach Bessie gesehen hast. Sie hat behauptet, sie sei meine Großmutter, und wollte nur mal nachsehen, ob bei mir alles in Ordnung sei. Tut mir leid, dass ich dir nichts davon gesagt habe.«
Henry nickte knapp. »Möchtest du jetzt über sie reden? Über die Gerüchte hinaus, die im Umlauf sind, kann ich dir allerdings wenig sagen. Mein Vater hatte diverse Freundinnen, und eine davon war sie. Maud lebt sehr zurückgezogen, ihr Land und ihre Privatsphäre verteidigt sie eisern.«
»Später, ja?«, sagte ich. Ich wollte noch in meine Hütte und nachsehen, ob alles in Ordnung war.
»Dann beim Abendessen«, sagte er. »Gibt es sonst irgendwas?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ich möchte nicht, dass du in nächster Zeit in den Wald gehst«, sagte er streng.
»Ich weiß«, antwortete ich und nickte, als wäre ich einverstanden, während ich aus dem Atelier ging.
»Ich meine es ernst, Zoë«, rief er mir nach. »Hast du gehört?«
»Ich hab’s gehört«, sagte ich. »Laut und deutlich.«
»Wenn du magst, gehe ich später mit dir hin. Nur jetzt gerade kann ich nicht, ich muss noch eine Weile an den Sachen für Lillian weiterarbeiten. Gut?«
»Gut, Onkel Henry«, rief ich, während ich langsam zum Haus hinüberging. »Lass dich nicht aufhalten.«
Als der Streifenwagen aus der Einfahrt bog, kam Herr Kommkomm unter dem Haus hervor und setzte sich zu mir auf die Veranda, bis Fred losgefahren war und Henry seine Flex angeworfen hatte. Ich bedankte mich bei dem Kater dafür, dass er mich davor bewahrt hatte, zur Hütte zu gehen, als die Jungen dort waren, und gab ihm das letzte Stück von Freds Corned Beef. Dann schlich ich mich vom Hof und über die Brücke, so unauffällig und schnell es ging.
Sie rief ihn, wartete aber nicht, bis er mit seinen kurzen Beinen hinterherkam, sondern rannte geradewegs in den Wald. Mit den Gedanken war sie schon ganz woanders.
Immerhin war sie heute freundlich zu ihm.
Am Vortag hatte sie mit ihm geschimpft, hatte versucht, ihn dazu zu bewegen, dorthin zu gehen, wo er nicht hinwollte. Ihr fehlte jeder Sinn für Gefahren, er hingegen hatte den beißenden Geruch sofort wahrgenommen. Roch sie denn gar nichts? Der Gestank hatte ihn an den Grobian erinnert, und gleich waren die alten Ängste wieder da gewesen.
Nachdem die Mutter des Jungen gestorben war, schien sich der Grobian auf einmal verändert zu haben. Am Tag nach der Geburt seines Sohnes hatte er die Frau bei den Hartriegelsträuchern vor der Hütte begraben und dabei leise gesprochen. Er hielt das silberne Haus und das Grundstück in Ordnung, so wie die Frau es zuvor getan hatte, und kümmerte sich um seinen Sohn.
Der Kater war damals noch ein Kätzchen gewesen. Gelegentlich, wenn er im Wald jagte, hatte er den Jungen und seinen Vater erspäht. Als der Herbst kam, hatte der Junge laufen gelernt, und im Frühling war er bereits flink und wendig. Oft traf der Kater ihn im Wald, wo der Kleine nackt und fröhlich lachend Eichhörnchen, Vögeln und manchmal auch dem Kater selbst hinterherjagte. Miez, Miez, Miez , rief er dann. Er freute sich an allem, und der Grobian war nie weit. Der Junge lernte, seine kleinen und größeren Geschäfte immer abseits des Hauses zu erledigen und dabei sein Revier zumarkieren. Doch der Kater markierte es seinerseits und reklamierte es wieder für sich. Der Junge lernte, allein zu essen, und wenn er sich mit seiner pummeligen kleinen Hand Fleisch in den Mund stopfte, fiel die Hälfte auf die Erde und blieb für den Kater liegen.
Während der Junge den Wald ringsherum erkundete, baute der Grobian die Holzhütte nahe dem silbernen Haus wieder auf, und schon bald gab es da eine Veranda, dann zwei einfache Stühle, Fenster, eine Tür. Fasziniert sah der Junge seinem Vater bei der Arbeit zu, und abends, wenn der Mann auf die Sterne zeigte und auf den Mond, der über den Wipfeln der Bäume aufstieg, sah der Junge ihn verwundert an, so als hätte der Mann selbst sie dort oben angebracht.
Als es zum sechsten Mal Winter wurde, begann der Mann den Jungen öfter als zuvor allein zu lassen. Anfangs nur für ein paar Stunden, so lange
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