Zombie-Ballade
hatte.
Ich wartete einige Zeit und hörte die junge Blondine laut kichern. Dann war ich an der Reihe. Von innen öffnete jemand die Tür, ich schaute beeindruckt auf den Lichterglanz der Halle, aber ich sah auch die Frau. Mary Ann Baxter!
Ein Traumweib. Mich erinnerte sie ein wenig an die Schauspielerin Deborah Shelton, die in der Serie »Dallas« die Mandy Winger spielt. Ich sah nicht mehr das Licht und auch nicht die anderen Gäste, nur noch die geheimnisvollen Augen der Frau, die mir vorkamen wie tiefe Seen, in denen man leicht ertrinken konnte.
Dann hörte ich ihre Stimme. Samtweich klang sie mir entgegen. Ein geflüsterter Willkommensgruß. »John Sinclair!« stellte ich mich vor. »Ich danke für die Einladung.«
Ihr Lächeln wurde noch breiter. »Dann kann ich mich ja unter den Schutz der Polizei stellen, Mr. Sinclair.«
»Sie wissen, dass ich…?«
»Aber sicher. Man kennt Sie in London. Wenigstens gewisse Leute. Ich hoffe, Sie werden sich an diesem Abend amüsieren. Wir sehen uns bestimmt noch«, erklärte sie mit einem gewissen Unterton in der Stimme, der andere vielleicht hätte jubeln lassen, mich aber auf den Teppich holte, denn es gefiel mir überhaupt nicht, dass sie wusste, welchen Job ich ausübte.
Ein Wiener hätte der Gastgeberin passend zur Walzermusik die Hand geküsst. Ich verzichtete darauf. Ob jemand wollte oder nicht, er musste an einem der Ober vorbei, die Tabletts mit gefüllten Champagnergläsern hielten. Auch ich nahm ein Glas, stellte mich ein wenig abseits und beobachtete Mary Ann.
Ihr Kleid war ein schlichter Traum. Schwarz, lang, aus Chiffonseide gefertigt, dabei vorn und hinten sehr weit ausgeschnitten. Den Ausschnitt fand ich natürlich interessanter. Ich hätte nicht gewusst, wie ich mich in diesem Ding halbnackt einigermaßen anständig hätte bewegen sollen. Als Frau natürlich.
Tanner hatte von einem Verwesungsgeruch gesprochen. Den nahm ich nicht wahr. In der Diele roch es wie in einem Kosmetikladen. Mein Blick glitt über die Gäste. Bill Conolly hatte nicht übertrieben. Sie gehörten tatsächlich zu den oberen Fünfhundert der Millionenstadt London. Viele von ihnen kannte ich aus Zeitungen und Illustrierten. Viele Schauspieler waren dabei, auch Typen aus der Mode-und Designerbranche, die am verrücktesten gekleidet waren.
»Die Frau hat dich ja ganz schön aus der Bahn geworfen, alter Knabe,« hörte ich neben mir die Stimme meines Freundes Bill. Ich drehte mich und schaute in sein grinsendes Gesicht.
»Wieso?«
»Wie du die angeschaut hast.« Ich winkte ab. »Halb so schlimm.«
Bill deutete in einen Nebenraum. »Willst du nicht zu uns kommen? Sheila wartet schon.«
»Okay.«
Wir gingen nebeneinander her. Bill fragte mich. »Wie hat sie dir gefallen, John?«
»Sie kannte meinen Namen und auch den Beruf.«
»Oh.«
»Hast du sie informiert?«
»Über den Namen schon, nicht über den Beruf. Da wird sie wohl selbst Nachforschungen angestellt haben.«
»Macht sie das immer?«
»Keine Ahnung.«
Es trafen weitere Gäste ein, aber ich hatte keine Lust, sie zu bestaunen.
»Wo wartet denn Sheila?« fragte ich.
»Am Fressstand!« flüsterte Bill.
»Na, benimm dich! Du bist hier unter vornehmen Leuten.«
Der Reporter grinste. »Zählst du dich auch dazu?«
»Nein, und der Herr, der gleich so klammheimlich der Party einen Besuch abstatten wird, ebenfalls nicht.«
»Wer ist es denn?«
»Suko.«
Vor Überraschung trat Bill einen Schritt zurück. »Sag mal, spinne ich? Oder habe ich richtig gehört?«
»Suko wird hier erscheinen, und zwar haben wir uns einen Plan zurechtgelegt. Ich möchte mich noch für deinen Tip bedanken, was diese Mary Ann Baxter angeht.«
»Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr«, erwiderte Bill.
»Das wird sich ändern.« Ich weihte meinen Freund in den Fall ein und leerte dann mein Glas.
Bill Conolly war völlig überrascht. Er konnte sich nur wundern. »Das hätte ich nie von Mary Ann Baxter gedacht…«
»Moment, Bill, noch ist nichts bewiesen. Aber wir müssen einfach auf Nummer Sicher gehen.«
»Klar, ich verstehe. Das ist wirklich ein Zufall.« Er schüttelte den Kopf, bevor er sich gegen die Stirn schlug. »Der reine Wahnsinn. Da lade ich dich ein, weil ich eine Karte besorgen konnte und mir jemand erzählt hat, dass Mary Ann Baxter Jenseits-Forscherin ist, und jetzt hast du einen Fall - bist dienstlich hier.«
»Ich weiß noch nicht, wie ich sie einzuschätzen habe, Bill, aber Chiefinspektor Tanner hält sie jedenfalls
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