Zone One: Roman (German Edition)
Gemütszustand, dem er damals keine Beachtung schenkte –, sie habe noch zu tun. Er sah schließlich von oben, was sie auf der Interstate hinterlassen hatte. Während die anderen Abschlepper, ja eigentlich alle Überlebenden, an seinem Rand nur das Ödland wahrnehmen konnten, war Quiet Storm am Himmel, erfand ihr Alphabet und gab Erklärungen ab, Erklärungen in Form einer Reihe von fünf rechtwinklig zum Mittelstreifen abgestellten grünen Fließheckmodellen, einer Folge schwarzweißer, Nase an Nase geparkter Luxuslimousinen drei Kilometer weiter, einer Ansammlung von zehn glänzend lackierten Kleinbussen, die wieder einen Kilometer weiter nördlich in spitzem Winkel standen. Die Grammatik verbarg sich in den Zahlen und Farben, die Bedeutung war in den Abständen zwischen den Fahrzeugsilben – ein Kilometer, ein halber Kilometer – verschlüsselt. Fünf Jeeps, an einem in Nord-Süd-Richtung führenden Highwayabschnitt in süd-südwestlicher Richtung aufgestellt. Das war eine Energiesalve, nicht einzudämmen von den Straßen, die Siedler zweihundert Jahre zuvor angelegt oder Stadtplaner verwirklicht hatten, um die Bevölkerung zu den Einkaufszentren der Projektentwickler zu lotsen. Zehn SUV s, im Abstand von jeweils zweihundert Metern in Ost-West-Richtung angeordnet, waren die Flossen eines Aals, der durch verschlammte Tiefen glitt, oder die Befiederung eines Pfeils, der auf – ja was? – zielte – das Morgen? Welche Leser? Dann befand sich sein Hubschrauber über einer mittelgroßen Stadt im verkommenen Connecticut, jenseits der Ränder ihres Manuskripts, und er war schon halb in Zone One.
»Aber was soll das bedeuten?«
»Wir können es noch nicht lesen. Im Augenblick können wir nur Zeuge davon sein.«
Sie schrieb ihren Weg in die Zukunft. Buffalo schnaufte über seinen Machenschaften und Narrativen von Nachschub, und die elenden Phönies bohrten die blutigen Knie und Ellbogen in den Sand, während sie auf ihre Trugbilder zukrochen. Und dann gab es Leute wie Quiet Storm, die sich aus der schwachen Tonerde ihre eigenen Bauern und Türme formten und sie, mit ihren eigenen strategischen Wiederaufbauten beschäftigt, auf ihrem Brett verteilten. Mark Spitz sah ihr Mosaik, das in seiner gewaltigen Tonnenlast alle Vorhaben Buffalos überdauerte, die schon laufenden und die noch zu artikulierenden Operationen. An welche Leserschaft wandte sie sich? An Götter und Außerirdische, an jeden, der zur richtigen Zeit aus dem richtigen Blickwinkel herabschaute. An Jeden, Der Das Lesen Kann: Haltet Euch Fern. Bitte Helft. Denkt An Mich.
»Vielleicht heißt es ja: Inzwischen ist es hier sicher, wir sind weg. Vielleicht heißt es: Ich bin immer noch da.« Das hatte sie ihm gesagt, als sie es ablehnte, den Korridor zu verlassen, weil sie noch nicht fertig sei.
»Hört sich für mich nach PABS an«, sagte Gary. »In Rainbow Village war einer, der hat mit seiner eigenen Scheiße Bibelverse geschrieben.« Schläfrig klopfte er seine Weste nach seinen gesponserten Zigaretten ab. »Wer geht denn nun und besorgt mir noch Penicillin?«
»Ich«, sagte Mark Spitz.
»Versuch dich zu beeilen und quatsch nicht herum von wegen Ascheregen«, sagte Gary. »Kein Wort über die Asche, in Ordnung?«
»Ja.«
»Ich sehe doch, wie du zum Fenster rauschaust«, sagte er. »Am besten, du behältst das für dich, finde ich.« Wie ein Vater, der seinem Kind sagt, es solle bloß eine Stunde lang das Nasebohren seinlassen. Die Leute könnten reden.
»Du liegst nicht auf dem Totenbett. Totenfuton.«
»Wie soll ich denn damit eine Zigarette anzünden?«
Mark Spitz wartete darauf, das Kaitlyn zu ihm nach draußen kam. Weiter die Straße entlang hatte der Entsorgungsdienst die Leichen auf seinen Karren geworfen. Der bedeckte Himmel kündigte vorzeitig den Abend an, und Mark Spitz fragte sich, ob es regnen würde, obwohl der Donner, den er hörte, nicht meteorologischer, sondern militärischer Natur war. Kaitlyn tauchte aus dem Laden auf und wischte sich dabei die Finger mit antibakteriellen Tüchern ab. »Er sagt, er will hierbleiben«, sagte sie. »Er will niemanden sehen.«
»Ich melde mich bei Fabio und hole beim Arzt irgendwas, was es ihm angenehmer macht.« Der Euphemismus fiel ihm leicht. »Was, wenn es bei ihm schnell geht?«
»Ich bin bereit. Ich lasse ihn nicht allein. Ich bin nur rausgekommen, falls er er für sich sein wollte, um es selber zu tun.«
»Okay.«
»Lauf.«
Er haute ab in Richtung uptown. Zwei Blocks weiter merkte er,
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