Zone One: Roman (German Edition)
herumrumort hatten, ihre Stöckelschuhe verloren. Eine trug einen Slip derselben Marke, die seine letzten beiden Freundinnen bevorzugt hatten, mit den charakteristischen Rüschen. Das Kleidungsstück war verdreckt und zerrissen. Ungeachtet dringenderer Anforderungen an seine Aufmerksamkeit konnte er nicht umhin, den String zu bemerken. Er hatte eine Unmenge notwendiger Neukalibrierungen vollzogen, doch ab und zu gab das alte Ich immer noch Laut. Dann schaltete sich das neue Ich ein. Er musste sie erledigen.
Das jüngste trug sein Haar in einer Frisur, die durch eine Sitcom populär geworden war, welche sich um drei WG -Bewohner von scheinbar unvereinbarem Temperament und ihre Versuche drehte, in dieser heftigen Stadt ihr Glück zu machen. Ein schrulliger Hausmeister und eine schrille Nachbarin rundeten das Ensemble ab, und zur Zeit der Katastrophe hatte die Serie immer noch Kultstatus gehabt und in der Zuschauergunst in den Top Ten gelegen. Die Frisur wurde Marge genannt, nach Margaret Halstead, der bezaubernd trampeligen Schauspielerin, die sie in der guten alten Zeit der roten Teppiche und flirtenden Late-Night-Talkshows zum Markenzeichen gemacht hatte. Mark Spitz hatte nichts an ihr gefunden – zu mager –, aber die Legionen junger Ladys, die aus ihren kümmerlichen Käffern und Gemeinden geflüchtet waren, um sich in der Großstadt neu zu erfinden, hatten irgendetwas in Halsteads Gezappel erkannt und dieses Merkmal von ihr zum Fetisch gemacht. Geködert hatte sie die alte Mär, man könnte sich in der Stadt einen Namen machen; jetzt mussten sie zusehen, wie sie überlebten. Die Miete zusammenkratzen, etwas zu essen auftreiben. Die jeweils angesagten Clubs und schicken Restaurants zogen ständig lockere Schwärme von Marges an, die neuartige Cocktails mit Zimtrand schlürften und zu beflissen lachten.
Das Marge krallte sich Mark Spitz als erstes, packte seinen linken Bizeps und nahm ihn zwischen die Zähne. Auf sein Gesicht verschwendete es keinen Blick, sondern verbiss sich ins Gewebe seines Kampfanzugs, ausschließlich auf das Fleisch bedacht, das sich, wie es wusste, darunter befand. Er hatte vergessen, wie weh es tat, wenn ein Skel richtig loszumampfen versuchte; es war schon eine Weile her, dass ihm einer so nahe gekommen war. Das aufwendige Gemisch von Kunstfasern konnte das Marge nicht durchdringen – nur ein Idiot äußerte sich abfällig über das neue Wundergewebe, das aus den Erfordernissen des Seuchenzeitalters hervorgegangen war –, aber jedes tollwütige Zubeißen ließ ihn aufheulen. Der Rest von Omega kam schon durch die Flure getrampelt und würde gleich hiersein. Er hörte das Geräusch splitternder Zähne. Die Einheiten sollten zusammenbleiben, das betonte der Lieutenant immer wieder, um ebensolche Situationen zu vermeiden. Aber in den letzten Planquadraten war es so ruhig gewesen, dass sie sich nicht an die Befehle gehalten halten.
Das Marge war vorderhand beschäftigt – mit seinen eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeiten brauchte es eine Weile, um die Sinnlosigkeit des Unterfangens spitzzukriegen –, deshalb wandte Mark sich dem Skel zu, das aus zwei Uhr angriff.
Die buschigen Augenbrauen, die Andeutung eines Schnurrbarts – es fiel ihm schwer, in diesem Exemplar nicht seine Englischlehrerin in der sechsten Klasse zu erkennen, Miss Alcott, die in schmalzigem Bronx-Tonfall Sätze zerlegt und auf altmodische Kegel- BH s gestanden hatte. Sie roch nach Jasmin, wenn sie beim Einsammeln von Vokabeltests an seinem Pult vorbeikam. Er hatte immer eine Schwäche für Miss Alcott gehabt.
Das da hatte sich wahrscheinlich als erstes infiziert. Alles unterhalb seiner Augen war dunkle, blutige Schnauze, das verräterische Geschmier, das entstand, wenn sich ein Gesicht tief in lebendiges Fleisch grub. Ein ganz normaler Tag im Büro, und sie wird von einem New Yorker Spinner gebissen, während sie sich in der Salatbar an der Ecke die Frühlingsmischung auftut. Sich die Seuche einfängt, ohne es zu wissen. Noch in der Nacht kam dann der Schüttelfrost, und die legendären schlechten Träume, von denen jeder gehört hatte und inständig verschont zu bleiben hoffte – die Vorboten, die Albträume, in denen das Unterbewusste ein ganzes Leben nach irgendeiner Antwort oder irgendeinem Ausweg aus dieser Falle durchstöberte. Bei den frühen Erregerstämmen dauerte es mitunter einen ganzen Tag, bis man abdrehte. Am nächsten Tag kehrt sie in ihr Kabuff zurück, weil sie seit Jahren keinen einzigen Tag
Weitere Kostenlose Bücher