Zone One: Roman (German Edition)
herunterzuwerfen. Der Blick des Skels richtete sich auf das weiche Fleisch seines Gesichts. Es schnappte danach.
Wie die meisten Angehörigen der Sweepereinheiten lehnte er es ab, sein Visier zu tragen, trotz der Vorschriften, des entsprechenden Kärtchens und der vielen Male, die er es erlebt hatte, dass diese Entscheidung in die Hose gegangen war. Man konnte nicht zwanzig Kilo Ausrüstung ein New Yorker Hochhaus raufschleppen, wenn einem dabei das Plastikvisier beschlug. Überall waren die Nachschubverbindungen noch in verheerendem Zustand, und die Sweepereinheiten hatten bei allem die niedrigste Priorität, außer bei Patronen. Alle – vom Nordöstlichen Korridor über Omaha bis zur Zone One – hatten genügend Patronen, nun da Buffalo Barnes wieder in Betrieb genommen hatte und die früheren Heimarbeiter, chronischen Asthmatiker und diversen alten Schachteln Tag und Nacht am Fließband Munition produzierten. Heutzutage war Rosie die Nieterin eine ehemalige engagierte Mutter, die gerade ihren eigenen Party-Service eröffnet hatte, als die Letzte Nacht anbrach und ihr Mann und ihre Kinder beim Haushaltsgeräte-Discounter des örtlichen Einkaufszentrums von einem Parkwächter gefressen wurden.
Prioritäten: Zuerst bekam Buffalo, was es brauchte, dann das Militär, dann die Zivilbevölkerung und am Ende die Sweepereinheiten. Was bedeutete, dass Mark Spitz kein richtiges Visier hatte, keines von diesen schicken Marineinfanterie-Dingern aus superleichtem, undurchdringlichem Drahtgewebe, mit richtiger Belüftung und Halsschutz. Er hatte mal einen Trottel gesehen, der mit einer Torwartmaske auf Patrouille gegangen war – eigentlich bloß affig, weil sie von den Skels viel zu leicht abgerissen werden konnte. Einige von den Typen in den anderen Einheiten waren dazu übergegangen, Luftlöcher in das dicke Plastikvisier zu bohren, und er nahm sich vor, diesen letzten Trick auch auszuprobieren, falls er es aus dem Schlamassel hier schaffte. Allerdings durfte man sich, ob mit oder ohne Visier, auf keinen Fall zu Boden drücken lassen.
Das erste Mal gesehen, wie jemand von einer ganzen Gruppe von ihnen zu Boden gedrückt wurde, hatte er in der Anfangszeit – musste damals gewesen sein, weil er immer noch bemüht gewesen war, aus seinem Viertel rauszukommen. Eine unsichtbare Barriere umgab seinen Postleitzahlenbezirk, und jede Gelegenheit zur Flucht wurde von seiner Gewissheit untergraben, dass sich alles bald wieder normalisieren würde, dass diese wilde neue Realität keinen Bestand haben konnte. Er war gerade auf dem Weg zu dem Einkaufszentrum knapp einen Kilometer von seiner Wohnung entfernt – der nächstgelegene Knotenpunkt der Zivilisation bestand aus der rund um die Uhr geöffneten Tankstelle mit Zigarettenkiosk, dem berüchtigt trostlosen Pizza- und Sandwichladen und einer moribunden Reinigung, die Flecken zuverlässig verschlimmerte. Mark Spitz hatte die Nacht hoch droben in den Armen einer Eiche verbracht, die erste von vielen künftigen Übernachtungen in Geäst. Wenn es jemanden gab, fiel ihm ein, der für diese »neue Situation« gerüstet war, dann war es Mr. Provenzano mit dem angeblichen Waffenarsenal, das er im Keller des Pizzaladens gelagert hatte. Dieses Arsenal war ein unverwüstliches und beliebtes Thema von Spekulationen: sensationslüsterne Jugendliche spekulierten darüber und Erwachsene ergingen sich in Andeutungen, genährt von Gerüchten über Mafia-Aufnahmerituale und einer robusten, sich um den Fleischwolf drehenden Folklore.
Mark Spitz wusste nicht, ob der Pizzaladen zugänglich war, aber er bot eine bessere Perspektive als die verstummten Sträßchen von New Grove, der Trabantenstadt, in die seine Eltern vor dreißig Jahren gezogen waren, gleich nach ihrer Rückkehr aus den Flitterwochen, sodass im Foyer noch die Hochzeitsgeschenke aufgebaut waren. Er wartete, bis es Tag wurde, und rieb sich die tauben Arme und Beine, um die Blutzirkulation wieder in Gang zu bringen. Dann ging er durch die handtuchgroßen Hintergärten, die umzäunten Abkürzungen seiner Kinderzeit, und kroch und kraxelte um die halbfertige Mini-Villa in der Claremont herum, bemüht, die Lage zu peilen, ehe er sich auf die Hauptstraße wagte. Der Baufirma war im Vorjahr das Kapital ausgegangen, und seine Eltern klagten über den Schandfleck, als wären sie vertraglich dazu verpflichtet. Die sich kräuselnden Plastikplanen, wo Wände hätten sein müssen, die großen Haufen hellbrauner Erde, aus denen es nach jedem Regen
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