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Zone One: Roman (German Edition)

Zone One: Roman (German Edition)

Titel: Zone One: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colson Whitehead
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Fenster in beiden Stockwerken und die Fallhöhe bis zum Boden ein. Ein Kiesweg kurvte auf eine kleine Scheune am hinteren Ende des Grundstücks zu, und während er sich ihr näherte, winkte er, um eine möglichst harmlose Geste bemüht, nach hinten in Richtung der vernagelten Fenster. Die Fenster der Scheune waren nicht befestigt. Sie war zu einem schönen Arbeitszimmer umgebaut worden, die Wände ein bunter Strom von Bücherrücken, mit einer Kochnische und wahrscheinlich einer Toilette hinter der einen Tür. Auf dem antiken Schreibtisch in der Mitte des Raums lagen Bibliotheksbände mit purpurrotem Einband und auf Kante gestoßene Stapel mit Aufzeichnungen. Tote Blumen hingen aus einer türkisblauen Vase auf einem Stehpult, das einen aufgeschlagenen Band des Oxford English Dictionary trug. Er starrte auf ein Diorama. Vielleicht ließen sie ihn ja die Nacht unbehelligt im Studio verbringen, und morgens würde er dann weiterziehen. Das Sofa sah goldrichtig aus.
    Die Wildgräser hinter dem Studio raschelten eine Warnung. Der Waldsaum gab zwei Skels frei, die sich hintereinander bewegten, ihre mühsamen Schritte aufeinander abgestimmt. Das größere war ein Mann gewesen, sein fleckiger Overall hing auf noch immer muskulösen Schultern. Ein noch frischer Rekrut des Grauens. Sein Begleiter war älteren Jahrgangs, nach dem Grad der Schrumpfung zu urteilen, alte Schule und Letzte Nacht, und schlotterte in einer kanariengelben Schürze vorwärts, auf der in gedunsenen roten Buchstaben der Slogan »Hot Pot o’ Love« stand. Nach den Resten auf der Schürze zu urteilen, war das letzte Abendessen selbstgemachte Erdbeermarmelade oder etwas entschieden weniger Bekömmliches gewesen. Die Skels wateten in unheimlichem Gleichlauf durch die Disteln. Die Perspektive spielte Mark einen Streich, aber er blinzelte trotzdem angesichts des neuen Wunders parallelgeschalteter Skels.
    Mark Spitz zog seine Pistole – er war damals in einer Pistolenphase, trotz der mühsamen Munitionsbeschaffung. Knarrend ging die Hintertür des Farmhauses auf. Eine Axt schwingend, stürzte eine Frau auf ihn zu, gekleidet in den gefütterten Lederanzug, wie ihn Motocross-Rennfahrer bevorzugen, und geduckt wie ein Defensive Linesman. Der Helm, der ihr Gesicht bedeckte, ließ ihre Stimmung nicht erkennen. Eine zweite Gestalt kauerte mit einer Schrotflinte in der Küchentür. Die Läufe glotzten ihn an. Mark Spitz rief leise: Ja, mein Gehirn funktioniert, die Synapsen tun immer noch alle genau das, was wir so schätzen gelernt haben. Während die Lady mit der Axt an ihm vorbeirannte und dabei durch die Goldrute trampelte, sagte sie: »Nicht schießen, Blödmann.« Bei den Skels angekommen, enthauptete sie sie mit zwei raschen Hieben, während sie langsam die Hände hoben. Die Körper schwankten, dunkle Flüssigkeit sprudelte aus Gefäßen in ihrem Hals, dann stürzten sie gleichzeitig in eine Gruppe Garten-Fuchsschwanz.
    »Rein mit dir«, sagte sie. »Du bist schon viel zu lang hier draußen.«
    Seit dem Nachmittag, als er in den Treibsand einer Endlosfolge jener Kochsendung geraten war, die seine Mutter so gern mochte, hatte er keine derart makellose und üppig ausgestattete Küche mehr gesehen. Geräte zum Entsaften, Aufsprudeln, Stifteln und Koffeinieren schimmerten auf den Arbeitsflächen und warben für sich selbst, obwohl sie nicht zu den dunklen Kiefernholzböden und verwitterten Schränken passten. An den Balken hingen rostige Küchenwerkzeuge in manikürter Gebrechlichkeit. Eine aufgeräumte Kombüse gehörte aus naheliegenden Gründen zu den ersten Dingen, die man in einem Versteck ansteuerte. Aber die drei Bewohner hielten einen heroischen Grad von Sauberkeit aufrecht. »Das Haus war so schön, als wir es gefunden haben«, erklärte Margie später, »es verkommen zu lassen wäre schade gewesen.«
    Mark Spitz blieb lange genug Gast, um die jüngste Geschichte des Anwesens zu erfahren. Die abwesenden Besitzer waren hierhergezogen, um die Stadt zu fliehen, Vorhut einer Welle von Pionieren der oberen Mittelschicht, die sich in Wagen aus wiederverwendetem Holz mit Planen aus umweltfreundlicher Bambusfaser kühn ins Hinterland aufmachten. Ein Foto im Eingangsflur zeigte das Farmhaus im abblätternden Zustand völliger Verwahrlosung; bei ihren Renovierungen hatten die Neuankömmlinge unzählige Stunden und nicht wenig Liebe für den Klotz aufgewendet und jedem Quadratzentimeter moderner Isolierung und Installation unendlich viel Aufmerksamkeit gewidmet. Das

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