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Zopfi, Emil

Zopfi, Emil

Titel: Zopfi, Emil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spitzeltango
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Polizei, dein Freund und Helfer, heisst es doch. Unter Freunden sagt man sich Du.» Er streckte seine Hand aus. «Ich bin der Hermi.»
    Der Bulle schnaubte, machte Rechtsumkehrt und stiefelte davon. Der Kontrolleur grinste, riss einen Papierstreifen von seinem Apparat. «Ich bin der Rudi. Hier dein Ticket, Hermann. Die Rechnung bekommst du per Post.»
    Auf der Anzeige sah Hermann, dass der nächste Zug in einer halben Stunde fuhr. Bis dann bin ich erfroren, dachte er.

    Robert und Pippo schritten in einer Gruppe von Männern von der Bahnstation zum Kulm, dem höchsten Punkt des Uetlibergs. Kies knirschte unter den Schuhen. Gedämpfte Stimmen rundum. Wann war er zum letzten Mal auf dem Uetliberg gewesen? Die Bilder in Roberts Erinnerung glichen vergilbten Fotos. Ein Sonntagsausflug mit Vater, Mutter und Schwester, ein «Familientürgg», wie man das nannte und hasste. Der Vater bleibt vor einem Ameisenhaufen stehen, doziert Biologie und Naturschutz. Die Mutter sammelt seltsam geformte Wurzeln und rund geschliffene Steine, die sie zu Hause zu kitschigen Kunstwerken für den Weihnachtsbasar des Frauenvereins arrangiert. An der Stelle, wo der Laternenweg ins Albisgüetli vom Gratweg abzweigt, erzählt der Vater bei einem Felsblock mit einer Bronzetafel die Geschichte eines Bergsteigers, der an dieser Stelle in den Tod gestürzt ist, im Jahr Achtzehnhundertsoundso. Robert interessierten weder Ameisen noch das achtzehnte Jahrhundert, ihn interessierte die Zukunft. Seine eigene vor allem.
    Pippos Stimme riss ihn aus treibenden Gedanken. «Was machen wir nun ohne unsern Schwarzfahrer?»
    «Er wird mit dem nächsten Zug kommen.»
    «Hat er nicht früher schon alles verpatzt?»
    Robert verstand nicht gleich, wovon Pippo sprach. Er dachte noch immer an Vater und Mutter und die Schwester, die mit vierzehn verunglückt war mit dem Fahrrad. Die Mutter hatte das nie verwunden, hatte ihrem Leben mit Schlaftabletten ein Ende gesetzt.
    «Damals?»
    «Du weisst schon.» Ein Kraftausdruck in Innerschweizer Mundart folgte.
    «Ach so. Ich denke, Toni hat uns verraten.»
    «Klaro. Aber auf Hermi war auch nie Verlass. Ein Chaot war er schon immer.»
    «Das waren wir doch alle, oder nicht?»
    Es war dunkel geworden, Laternen warfen stumpfes Licht auf den Weg. Bald waren nur die Schritte im Kies und das Schnaufen der älteren Leute zu hören. Dann schwatzten wieder einige, da und dort lachte jemand. Weit vorn johlten die Jungen. Durch das Geäst der Bäume blinkten die roten Lichter an der Spitze des Sendeturms. Ein Kombi kam im Schrittempo den Weg heraufgefahren. Das Scheinwerferlicht blendete, warf scharfe Schatten. Sie traten zur Seite.
    Pippo zündete sich eine Zigarette an, hielt Robert die Packung hin. Parisiennes ohne. Er lehnte ab.
    «Früher hast du doch geraucht. Und gepafft.»
    «Hab ich mir in den USA abgewöhnt.»
    «Auch Gras?»
    «Hab keine Lust auf amerikanische Gefängnisse.»
    «Wie hat es dich zu den Amis verschlagen?»
    «Meine Frau ist Amerikanerin.»
    «Immer die Frauen. Wegen einer Frau bin ich Trämler geworden. Ein Füdlibürger.»
    «Lebt sie noch?», fragte Robert.
    «Gestorben. Vor zwei Jahren. Krebs.»
    «Tut mir leid.»
    «Und deine?»
    Robert sah auf seine Schuhspitze, zog eine Linie in den Kies. Die drei Genossenschafter stapften schnaufend vorbei. Der mit der Bierreklame auf der Mütze sah sich um. «Ah, der Schwyter. Meinst du, die lassen einen Genossen rein dort oben?»
    Pippo drückte seine Zigarette an einem Baumstamm aus. «Dich ganz sicher nicht.»
    «Hallo, ich bin Mitglied.»
    «Mit dem Kommunistenstern an der Mütze?»
    «Erzähl keinen Schmarren.»
    «Dann schau doch mal nach.»
    Er zog seine Kappe aus, drehte sie um. «Heineken. Wusste gar nicht …»
    «Nun weisst du es. Am besten ziehst du sie verkehrt rum an. Dann sieht jeder, dass du früher mal ein Sozi warst.»
    Seine Kollegen platzten los. «Heineken ist Ausländerbier. Wir trinken Appenzeller.»
    Die drei tappten weiter.
    «Alte Genossen», sagte Pippo. «Heute jubeln sie einem Tscharner zu und stimmen für die Volkspartei.»
    Sie folgten den letzten, die mit der Bahn angekommen waren. Schemenhafte Gestalten, die mit Stöcken durch die Dunkelheit stakten. Vor dem Kulm traten sie ins Licht von Kugellampen auf den Geweihen fantastischer Hirschskulpturen, die beidseits des Wegs standen.
    «Ein kleines Disneyland», meinte Robert.
    Auf dem Platz vor dem Restaurant standen Männer in Gruppen um einen Kiosk herum. Viele kannten sich, begrüssten

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