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Zopfi, Emil

Zopfi, Emil

Titel: Zopfi, Emil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spitzeltango
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Zeigefinger, liess den Anhänger baumeln. «Schau mal, Gretel …»
    Sie wandte sich um, fuhr sich mit dem Handrücken übers Gesicht.
    «Möchtest du das Ding?»
    Sie griff sich den Schlüsselanhänger mit zwei Fingern, hielt ihn ins Licht. «Ach ja. Ein besonderer Gruss von deinem Sohn sei noch dabei, sagte die junge Frau.»
    «Das Ding da?»
    Sie gab ihm den Anhänger zurück. «Ein Gruss für die drei Genossen, müsse sie ausrichten.»
    «Soll wohl ein Scherz sein. Das ist doch das Signet der Volkspartei.»
    «War René nicht ein Steinbock? Er hat doch im Januar Geburtstag.»
    Pippo dachte nach. «Ich glaube, ja.»
    Es war eine kalte Winternacht gewesen, als sie das Taxi in die Frauenklinik brachte. Die schwere Geburt zog sich bis in den Nachmittag hinein. Alice konnte danach keine Kinder mehr haben, obwohl sie sich doch ein Mädchen wünschte. Eine Adoption war für ihn nicht in Frage gekommen.
    «Nimm das Ding», sagte er.
    Greta schüttelte den Kopf. «Dein Kaffee, Pius.»
    Er fasste ihr Handgelenk, schob ihr den Schlüsselanhänger über einen Finger. Trank den Kaffee aus, der lau geworden war, grüsste kurz und ging.

    Hermann schwitzte, obwohl vom Uetliberg her ein kalter Wind gegen die Stadt herabwehte. Es hatte aufgehört zu regnen, doch die Strasse war noch nass. Mit Robert stand er unter dem Vordach des Kiosks bei der Station Friesenberg. Am Aushang stand in fetten Lettern auf einem gelben Plakat: «Besetztes Haus geräumt!»
    Hermann hatte sich das Transparent um den Körper gewickelt. So würde er es sicher durch die Türkontrolle bringen. Auf Facebook war ein Aufruf der Autonomen zu einer Demo auf dem Uetliberg zirkuliert. Tscharners Truppe hatte bestimmt einen scharfen Sicherheitsdienst aufgezogen. Ein Fieberschauer fuhr über Hermanns Rücken. Vielleicht schwitzte er auch vor Aufregung. Wieder mal Action! Tscharner, das Spitzelschwein, musste fallen. Es war die Stunde der Abrechnung. Da gabs doch mal ein Spitzelschwein, das trank so gerne Schnitzelwein. Es trank einen Liter, da kam ein Gewitter … Ein Limerick wäre die Schaumkrone gewesen auf dem Flyer. Hermann musste lachen. Warum war Politik nur immer so ernst und langweilig?
    «Was lachst du?», fragte Robert.
    «Mir ist eben ein Limerick eingefallen.»
    «Du warst ja schon immer ein Dichter. Ein Arbeiterdichter.»
    «Ein arbeitender Dichter, aber kein dichtender Arbeiter.»
    «Wir sind wohl alle nicht mehr ganz dicht.»
    Hermann sah Robert von der Seite an. Der Sportsfreund machte ihm Sorgen. Er schien in Gedanken ständig irgendwo zu sein, nur nicht hier und jetzt bei der Sache. Dazu hatte sein Gesicht einen Ausdruck angenommen, als trage er alle Leiden der Welt. Ein Jesus, nur doppelt so schwer wie der Sohn Gottes. Robert umgab sich mit Geheimnissen, sprach wenig. Schwer und dumpf und mit hängenden Schultern stand er da, brütete vor sich hin. Starrte einer leeren Bierdose nach, die von einem Windstoss getrieben übers Trottoir rollte. Professor in Iowa, jenseits von Nirgendwo bei den Indianern und Cowboys. Eine Inkarnation von Charles Bronson in Sergio Leones «Spiel mir das Lied vom Tod». Robert wäre wohl lieber in Irinas Salon bei den Mädchen geblieben. Da hätte er wenigstens geduscht. Der feine Herr roch nach Inkontinenz.
    «Wo bleibt Pippo?»
    Hermann spuckte seinen Kaugummi neben den Randstein. «Wenn Lenin 1917 in Zürich den Zug verpasst hätte, hätte die Oktoberrevolution nie stattgefunden.»
    «Ein alter Witz.» Robert kickte die Bierdose weg, die ihm vor die Füsse gerollt war.
    «Aber gut, oder nicht?»
    Neben ihnen standen sich drei ältere Herren mit Regenschirmen die Beine in den Bauch. Sie sahen aus, als wollten sie auch zu Tscharners Rede auf dem Uetliberg. Einer trug eine braune Baseballmütze auf der Glatze, über dem Band am Hinterkopf leuchtete ein roter Stern und der Schriftzug «Heineken». Eine Afrikanerin schwatzte in ihr Smartphone.
    «Gehts ein bisschen leiser», fuhr sie der Heineken-Werbeträger an. Sie drehte den drei Eidgenossen ihren Hintern zu und redete weiter in einer Sprache, die wie Gospelgesang schallte.
    «So weit sind wir gekommen», bellte einer der Alten.
    Hermann wollte etwas Giftiges erwidern, hielt sich aber zurück. Keinen Streit jetzt, lass die Tölpel Tölpel sein. Wir haben eine Mission zu erfüllen. Den Sturz des Kronprinzen. Da gabs einen Prinz in der Volkspartei. Der war nicht zufrieden mit Apfel und Ei …
    Auf der andern Strassenseite hielt ein Trolleybus, der Zwei-unddreissiger.

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