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Zopfi, Emil

Zopfi, Emil

Titel: Zopfi, Emil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spitzeltango
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sich lautstark mit Händeschütteln und Schulterklopfen. Man war unter sich. Auf der Plattform mit dem Fernrohr setzten zwei Männer mit flachen Hüten und Sennenkutten ihre Alphörner an. Vier andere trugen schwere Kuhglocken auf einem Joch über den Schultern und wiegten sie zu den seltsamen Klängen.
    Robert hatte das Gefühl, sie würden beobachtet, es falle auf, dass sie nicht dazugehörten. Niemand sprach sie an, man schien sie zu meiden. Eine eigenartige Beklemmung ergriff ihn. Er fühlte sich umzingelt von Feinden. Auch der Ort befremdete ihn. Die Gebäude schienen seit seiner Jugend gewachsen und sich vermehrt zu haben. Er erinnerte sich an ein einfaches Restaurant, einen Fachwerkbau. Auch der einstige Aussichtsturm war verschwunden. An Stelle des kleinen Eiffelturms stand ein Dreibein aus Stahlträgern mit Sendemast und Parabolspiegeln an der Spitze, die Pfeiler mit einer Lichterkette besetzt. Der Turm sah aus wie Marilyns dreibeiniger Kerzenständer aus Schmiedeisen.
    «Dieser komische Turm. Ist offenbar neu.»
    «Alles ist neu hier und manches illegal», sagte Pippo. «Privatbesitz. Gehört alles einem Typen, der sich um Gesetze und Bauordnungen foutiert. Du weisst ja. Privatbesitz ist unser heiligstes Gesetz.»
    Das Alphornspiel setzte aus. Die Treichler liessen ihre Kuhglocken klingen. Bewegung kam in die Menge, sie drängte zum Eingang einer hell erleuchteten verglasten Terrasse. Bei der Tür standen zwei Männer in Anzug und grüner Krawatte, Knopf im Ohr. Einer mit Bürstenschnitt und Hängebacken musterte Robert misstrauisch, wie ihm schien. Er wich seinem Blick aus. Seine Beklemmung nahm zu. Es war die Angst vor einem Spiel gegen übermächtige Gegner. Aber er wusste, dass diese Angst eine ungeahnte Kraft in sich barg. Er folgte Pippo, der seinen Ausweis den Türstehern vor die Nase hielt und vorbeiging. Einer schaute kurz drauf und winkte ihn durch. Gab mit dem Kopf auch Robert ein Zeichen. «Schönen Abend.»
    Der Saal war schon beinahe voll. An einer Fernsehkamera gegenüber dem Rednerpult machte sich ein Mann an Kopfhörern zu schaffen. Über die Wand hinter dem Pult spannte sich ein grünes Transparent, daneben hingen die Zürcher und die Schweizer Fahne. Wir sind das Volk. Die Volkspartei.
    «Den Slogan haben sie von der Bürgerrechtsbewegung der DDR abgekupfert», sagte Pippo halblaut. «Eigene Ideen haben die offenbar nicht.» Sie blieben in der Nähe der Tür stehen, um nicht in den Fokus der Fernsehkamera zu kommen. «Wenn Toni redet, gehen wir nach vorn, halten unser Transparent direkt vor ihm in die Kamera.»
    «Falls es Hermi noch schafft.» Robert sah auf die Uhr. Eigentlich hoffte er insgeheim, Hermann erscheine nicht und die Aktion falle ins Wasser. Er klammerte sich an eine Stuhllehne, der Saal mit den Gesichtern und Gestalten begann sich vor seinen Augen zu drehen. Alle schienen ihn anzustarren, schienen ihn zu durchbohren mit ihren Blicken. Er konnte kaum noch atmen.
    «Keep cool.» Pippo schien seine Unruhe zu spüren. An den Tischen vor dem Rednerpult gab es Bewegung. Männer steckten ihre Köpfe zusammen. Ein Glatzköpfiger sprach mit heftigen Gesten, ein anderer telefonierte mit zwei Handys gleichzeitig. Im Stimmenlärm konnten sie kein Wort verstehen. Ein Dicker mit grüner Krawatte stieg aufs Rednerpult, klopfte mit dem Finger ans Mikrofon. «Kameradinnen und Kameraden. Die Gäste vom letzten Zug sind noch nicht eingetroffen. Es hat offenbar einen Zwischenfall gegeben. Wir halten euch auf dem Laufenden.»
    Der Lärm im Saal schwoll an. Mobiltelefone piepsten. Robert vernahm nur Wortfetzen. «Von Chaoten angegriffen …» – «Der schwarze Block …» – «Vor der Waldegg …» – «Krawall …»
    Der Dicke auf dem Podium beugte sich zum Mikrofon. Im Licht der Scheinwerfer glänzten Schweissperlen auf seiner Stirn. «Bitte ruhig bleiben. Wir informieren, sobald wir Näheres wissen.»
    Männer und Frauen eines Trachtenchors drängten sich nach vorn, stellten sich vor dem Transparent auf. Hinten die Männer mit Tellerhüten und mit Edelweiss bestickten Kutten, die Hände in den Hosentaschen. Die Frauen vorn in blau gestreiften Schürzen, blauem Oberteil, weissen Puffärmeln und weissen Strümpfen.
    «Ruhe bitte für die Fischenthaler Spatzen!»
    Die Stimme des Dicken ging im Lärm unter. Mehrere Leute standen auf, drängten ins Freie. «Hinunter und zusammenschlagen …», hörte Robert. «Den Chaoten die Eier abschneiden …»
    «Ruhe, Ruhe», schrien andere. Der Chor

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