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Zopfi, Emil

Zopfi, Emil

Titel: Zopfi, Emil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spitzeltango
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eine Schachtel unter dem Tisch. «Ich hätte, ja. Grafiker, Designer, Webmaster, Filmemacher, Journalist, Dichter. Aber ich habs nicht mal zum Trämler gebracht wie Pippo.»
    «Warum denn?»
    «Zuviel geträumt, zuviel gewollt.» Hermann sah auf die Uhr. «Aber lassen wir das Jammern. Es geht los.»

    «Trink doch einen Kaffee, Pius.» Greta holte den Filter und die Kaffeebüchse aus einem Schrank.
    «Danke, ich muss gleich weiter.» Pippo nahm das Kuvert vom Tisch mit dem Aufdruck «infcon gmbh».
    «Eine junge Frau hat es abgegeben.» Greta zündete die Gasflamme an, setzte Wasser auf.
    «Hat sie einen Namen gesagt?»
    «Nein.» Greta schien nachzudenken. «Nein, ich glaube nicht. Aber weisst du, mein Kopf, mein Kopf.»
    «Ich weiss.» Pippo sah auf seine Uhr. «Du, ich sollte.»
    Greta stellte eine Tasse auf den Tisch, Zuckerdose, Kaffeerahm, die Flasche mit dem Kirschwasser. «Du wirst doch wohl noch eine Minute Zeit haben für eine Tasse, Pius.»
    Sie goss Wasser in den Filter, Kaffee schwappte über den Rand. «Ach … ich bin so ungeschickt geworden.»
    «Komm, ich mach das.» Pippo nahm ihr die Pfanne ab, sah zu, wie der Kaffee im Filter langsam absank. «Also dann. Eine Minute.»
    Greta hat doch eigentlich Stil, dachte er. Niemand ausser ihr nannte ihn Pius. Eigentlich hasste er diesen katholischen Innerschweizer Vornamen, und doch. Greta sprach ihn beinahe liebevoll aus. Ein anderes Wort fiel ihm nicht ein. Sie hing an den alten Dingen, trug Röcke bis zur Mitte ihrer dicken Waden, selbstgestrickte Jacken mit komplizierten Mustern. Sie machte Filterkaffee und schwäbelte unverdrossen. Man hatte ihre Mundart oft nachgeäfft, aber nie war sie böse geworden. War sich immer treu geblieben. Und auch ihrem langweiligen Ehemann.
    «War das so ne Schaufensterpuppe, die das Kuvert gebracht hat?»
    Greta fuhr mit einem Lappen über den Tisch, fing die Krümel mit der hohlen Hand auf. «Eine nette junge Dame in Jeans.»
    «Solche Fetzen, die man schon mit Löchern drin kauft?»
    «Nein, ganz sauber und adrett. Und freundlich war sie auch. Im Auftrag von Herrn Schwyter, sagte sie. Einen komischen Hut hat sie getragen.»
    «Wie komisch?»
    «So eine Art Baskenmütze. Aber oben flach wie ein Teller. Und mit einem Wulst rundum.»
    «Ah ja? Eher klein. Lange braune Haare?»
    Greta nickte. «Kennst du sie?»
    «Nö, aber den Hut. Ein afghanischer Pakol.»
    «Wie die Taliban im Fernsehen?»
    «Kann sein, ja.»
    Sie schenkte Kaffee ein, zwei Gläschen Kirsch dazu. Pippo riss das Kuvert auf. Es enthielt drei Plastikkarten mit Strichcode und den Fotos von ihm, von Hermann und Robert. Oben das Signet der Volkspartei, ein Steinbockkopf auf einem Schweizerkreuz. Greta trat näher. «Theaterkarten?»
    «So was Ähnliches.»
    «Ich möchte so gern wieder mal in die Oper. Wie heisst das Stück?»
    «Zauberflöte.»
    «Mozart, wunderbar. Ich sah die ‹Zauberflöte› mal in Stuttgart, da war ich noch ein Backfisch. Mit dem Herrn Pfarrer sind wir da hingefahren. Ich war sterblich verliebt in den Papageno …»
    «Nicht in den Herrn Pfarrer?»
    «Ach Pius …» Sie gab ihm einen Klaps. «Mein Ernst hatte halt kein Interesse an Kultur und so, du weisst ja.»
    Pippo hob die Tasse zum Mund, blies in den Dampf. «War halt ein Beamter, dein Ernst.»
    «Er war ein guter Mann, ich will nicht klagen, aber …»
    «Aber?»
    Sie schüttelte den Kopf, drehte sich um und machte sich am Spülstein zu schaffen.
    «Was ist?»
    Sie liess ihre Arme sinken, schaute durchs Fenster über dem Spülstein hinaus in die Dämmerung. «Ach, mein Herz», sagte sie leise.
    Pippo sah auf die Uhr. «Verdammt, ich muss …» Er stand auf, kippte den Kirsch, liess den Kaffee stehen. Sie regte sich nicht, ihre Schultern bebten. Er legte seine Hände auf ihre breiten Hüften. «Gretel, was ist denn?»
    «Ach, nichts.» Sie schob ihn weg. «Geh jetzt.»
    «Das mit der ‹Zauberflöte› war ein Scherz. Entschuldige.» Er fuhr ihr mit der Hand über den Rücken, dann ging er zum Tisch, schob die Karten ins Kuvert. Sie sah noch immer aus dem Fenster, im fahlen Licht erschien ihr Gesicht bleich und aufgequollen.
    «Ich lade dich mal ein in die Oper, versprochen.»
    Sie drehte sich nicht um, schämte sich wohl, dass sie weinte.
    Pippo steckte das Kuvert ein. Dabei spürte er eine Verdickung, da war noch etwas drin. Er zog einen Schlüsselanhänger mit Kettchen heraus. Eine kleine Plastikfigur, der Kopf eines Steinbocks auf einem Kreuz. Er hängte sich das Kettchen an den

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