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Zopfi, Emil

Zopfi, Emil

Titel: Zopfi, Emil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spitzeltango
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schwarzen Kappen und Zielfernrohren hinter den Trauerweiden am Graben oder auf dem Dach von Gretas Hütte. Wo sie wohl war? Sie wird dir Kuchen in den Knast bringen, Pippo, selbst gebackenen Gugelhopf mit Rosinen, Streuselkuchen mit Vanillecreme. Sie wird dir Karten aus dem Schwarzwald schreiben. Lieber Pius, hier ist es so schön und ich warte auf dich …
    Er hatte noch vier Patronen im Magazin.

    Das Schrillen der Hausglocke drang aus weiter Ferne in sein Bewusstsein. Aus der Ferne eines andern Lebens. Mutter geht hinunter in den Laden, ein Kunde braucht Schuhbändel oder holt seine Sonntagsschuhe mit den neuen Absätzen ab. Tanz in der Bäckeranlage. Hermann spürte in seinem Rücken einen warmen Leib, eine Hand lag auf seiner Hüfte. Er war wieder Kind, lag im Bett zwischen seinen Eltern im «Gräbli». Über sich an der Wand das Bild des Herrn Jesus im Garten Getsemaneh. Der Rebell, Kämpfer für die Armen, Rechtlosen und Unterdrückten.
    Die Glocke schrillte weiter, eine Stimme hinter ihm murmelte: «Da ist jemand.» Die Hand schob ihn sacht aus dem Bett. Hermann taumelte durch die Küche zur Wohnungstür, hieb mit der flachen Hand auf einen Lichtschalter. Nackt sah er sich im Spiegel, sodass er vor sich selber erschrak. Sein Glied ragte steil auf, immer zu spät, die Erektion. Zurück ins Zimmer, die am Boden verstreuten Kleider aufgesammelt. Der schwarze Slip schien ihm viel zu gross, er schlüpfte hinein, dann Jeans und irgendwas oben. «Ich komme, ich komme, wo brennts denn?»
    Durchs Treppenhaus hinunter gestolpert. Unten stand Irina im Negligé, sprach auf eine ältere Frau ein. Sie war klein und fest, trug einen blauen Mantel und ein Kopftuch. Hinter ihr stand verlegen seinen Schnurrbart kauend ein Türke oder Albaner, eine Adlernase mit Kohleaugen. Ein Paar wie aus einem Fellinifilm, blitzte Hermann durch den Kopf. Hätte ich doch die Kamera dabei. Die Frau hielt mit zwei Fingern ein kleines Ding in die Luft, an einem Kettchen pendelte eine Figur. Steinbock hockt auf Schweizerkreuz, das Emblem der Volkspartei. Ein Schlüsselanhänger, vermutlich ein Werbegeschenk. Irina brabbelte etwas von einer Botschaft.
    Hermann sagte: «Entschuldigen Sie, wir brauchen nichts.»
    Nun suchten einen die Bettler auch schon nachts heim, sahen aus wie Witwen aus den Fünfzigerjahren mit einem flotten Italo-Lover im Schlepptau. Oder machte das komische Paar Mitgliederwerbung für die Volkspartei? Die Frau erzählte etwas von einem Pius, der Hermann dieses Ding übersende, ganz Wichtiges enthalte es.
    «Eine Botschaft», wiederholte Irina, hielt sich ihr durchsichtiges Nachtkleid über dem Busen zusammen. Ihre Zähne klapperten in der kalten Luft, die durch die halb geöffnete Tür hereinzog. Hermann griff nach dem Kettchen, hielt den Anhänger ins trübe Licht der einzigen Lampe im Treppenhaus, die noch brannte. «Was soll das?»
    Von oben liess sich eine sanfte Stimme vernehmen. Was denn sei? Ruth. Ach, schoss Hermann durch den Kopf. Sie auch noch … «Schlüpf nur wieder in die Federn, ich komme gleich nach.»
    «Ich auch Federn.» Irina verbeugte sich, die schwarze Tür schlug zu, die Kette klickte ein.
    Die Frau mit dem Kopftuch schien aufgeregt, ihre runden Backen glühten. Sie verhaspelte sich in einem süddeutschen Dialekt: «Es isch e Schtick. Midere wichtige Botschaft. Vom Bius.»
    «Von Pius? Sie meinen den Papst?»
    Die Frau schien das gar nicht lustig zu finden, es war nicht die Tageszeit für Scherze. Hermann begriff, dass die Dame aus dem Schwäbischen und ihr türkisch-albanischer Bodyguard nicht zu seinem Geburtstag aufgekreuzt waren. Allmählich dämmerte ihm, wer dieser Pius war, der eine so wichtige Botschaft schickte, dass man ihn aus erotischen Träumen klingelte. Er fasste den Steinbock mit vier Fingern, zog ihn auseinander. Es war wirklich ein Stick.
    «Von Pippo?»
    «Ja, Pippo», bestätigte der Schnauzbärtige. Mehmed aus Kurdistan, stellte er sich vor, Gartenaufseher und Schweizer Bürger. «Sehr wichtige Botschaft.»
    «Was will denn der Schrebergärtner mit einem Stick? Der versteht was von Stickeln, aber vom Computer hat er keinen Schimmer.»
    «Sein Sohn hat den Stick geschickt.» Sie sei eine Gartennachbarin, kenne die Famile Schwyter seit Jahren. «Pius und seine leider verstorbene Frau Alice und den Sohn René. Der hat studiert, hat es zu was gebracht. Ein Herr Doktor ist er. Auch Pius ist ja sehr intelligent, aber eben …»
    «Ja, ich weiss», fiel ihr Hermann ins Wort. «Und was ist

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