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Zores

Zores

Titel: Zores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Pittler
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immer oben schwimmt, gelt? Das ist er! Genau das! Aber wenn es eine höhere Gerechtigkeit gibt, bei Gott, dann schmort der eines Tages in der Hölle. Und dann wird er vielleicht daran denken, was er seiner armen, alten Mutter angetan hat, der seelenlose Kerl, der.“
    „Suchy!“
    Bronstein erschrak selbst ob der Lautstärke, zu der er gegriffen hatte. Doch anders, so befand er, war die Alte nicht mehr zu bremsen gewesen. In der Tat erschrak die Vejvoda so, dass sie das Buch fallen ließ und zusammenzuckte.
    „Was schreien S’ denn so, Herr …“
    „Bronstein! Und es tut mir von Herzen leid, was Ihr Sohn Ihnen angetan hat. Aber jetzt müssen wir endlich weiterkommen, verstehen S’. Ich hab noch fünf Parteien vor mir und nicht den ganzen Tag Zeit.“ Bronstein stieß gepresst Luft aus undfühlte sich unwohl. Doch er wusste nicht, wie er die Situation sonst hätte bereinigen können.
    „Ist ja schon gut, deswegen brauchen S’ ja nicht gleich den ganzen Bezirk zusammenschreien! Alsdern, was wollen S’ wissen, Herr …“
    „Liebe Frau, jetzt reicht’s aber! Ich …“
    „Ja, es tut mir ja eh leid, aber ich kann mir nun einmal keine Namen merken. Das konnt ich noch nie. Immer dann, wenn ich mir endlich den Namen von einem Bundeskanzler g’merkt hab, war er schon wieder weg. Das ist ein Fluch, sag ich Ihnen. Jetzt weiß ich grad einmal, dass der jetzige Suschnik oder so ähnlich heißt, jetzt ist der auch wieder Geschichte. Und damit Sie’s gleich wissen, den Schnauzer da vom Suchy, den merk ich mir auch net.“
    „Wen, den Hitler?“ Bronstein kam aus dem Staunen nicht heraus.
    „Genau. Wozu auch? Übers Jahr ist der auch perdu. Also zahlt es sich nicht aus.“
    „Aber Gnädigste, der Mann hat vor, ein tausendjähriges Reich zu errichten“, formulierte Bronstein nicht ohne Ironie.
    „Tausend Jahre? Vielleicht tausend Tage. Aber selbst das ist unwahrscheinlich!“
    „Ah so? Wieso denn das?“ Bronstein wurde neugierig.
    „Na hören Sie sich nur an, was der alles verspricht! Arbeit, Wohlstand, Weltgeltung! Wie will er das denn anstellen? Der kocht wie alle anderen Politiker auch nur mit Wasser. Und Wunder, die gibt’s nur in der Heiligen Schrift. Auf Ja und Nein werden die Leute draufkommen, dass der sie auch nur an der Nase herumführt, und dann ist’s auch schon wieder vorbei mit dem Dritten Reich. Das sag ich Ihnen.“
    „Ihren Optimismus möcht ich haben“, entfuhr es Bronstein.
    „Was heißt da Optimismus“, replizierte die Alte bitter, „eine Katastrophe wird das werden. Fallt Ihnen nicht auf, wie alles zugrunde geht? Das ist die Apokalypse! Wissen Sie, was bei Matthäus steht? ,Es wird aber ein Bruder den anderen zum Tod überantworten, und der Vater den Sohn, und die Kinder werden sich empören wider die Eltern und ihnen zum Tode helfen.‘ Das kommt jetzt, Herr …, ja, ich weiß, ich merk mir’s nicht. Aber das ist auch egal. Schauen S’, ich bin übers Jahr eh auch …, ich … ach.“
    Die Vejvoda sank auf den Stuhl und dann in sich zusammen. Ihr Kopf zitterte ein wenig, dann rollten ohne Vorwarnung dicke Tränen über ihre zerfurchten Wangen. „Ich werd nimmer sein, und dem Franz, dem wird das egal sein, denn er wird mir … zum Tode helfen.“
    Bronstein war sich nun endgültig sicher, von dieser Person keine Informationen zu bekommen. Es war wohl besser, wenn er sich empfahl. Die alte Frau sprach flüsternd weiter, so, als wäre sie Bronsteins Gegenwart gar nicht mehr gewahr: „Und ihr müsst gehasst werden von jedermann um meines Namens willen. Wer aber bis ans Ende beharrt, der wird selig werden.“
    Er befand sich eigentlich schon auf dem Weg zur Tür, als ihn die letzten Worte der Vejvoda innehalten ließen. Bronstein drehte sich um: „Frau Vejvoda, Sie haben mein vollstes Mitgefühl. Aber wenn Sie irgendetwas über die Sache mit dem Suchy wissen, dann müssen Sie mir das sagen! Verstehen Sie das?“
    Plötzlich sah ihn die Vejvoda mit erstaunlich klarer Miene an: „Der Suchy hat nur bekommen, was er verdient hat. Ein durch und durch verkommenes Subjekt. Direkt widerwärtig!“
    Bronstein hob eine Augenbraue und trat wieder einen Schritt auf die Vejvoda zu: „Wie meinen S’ jetzt nachher das?“
    „Zwei Timotheus, Kapitel 3, Vers 4.“
    Eigentlich wollte Bronstein festhalten, dass sich die Vejvoda immerhin die Namen diverser Bibelautoren merken konnte, doch er schluckte die Bemerkung hinunter. Stattdessen sagte er: „Sie müssen schon entschuldigen, ich bin nicht so

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