Zores
Hund. Die kumman eigentlich aus Südtirol, aber von dort hat s’ der Mussolini verjagt, weil s’ halt Deutsche san, ned. Der alteOberhollenzer war dort Bauer. Na, frag ich Sie, was soll a Bauer in Wien, ned wahr?! Der hat die Haxen da nie am Boden kriegt. Lebt von der Luft, könnt ma sagen. Und hat natürlich a Mordstrum Wut im Bauch. Saufen tut er aa a bissl, oiso ned wirklich des, was ma einen netten Zeitgenossen nennen könnt’. Dann is eam a no sei Alte im Vorjahr g’storben, und jetzt steht er da mit seine zwei Gschrazn. Der Karl und der Otto. Der Ältere ist zehne oder elfe, der Otto zwei Jahr’ jünger. Die san dauernd beim Suchy g’wesen. Ka Wunder eigentlich, weil die hat er, wos i waaß, a in Ruh g’lassen. Die waren eam beide zu fremd, tät i sagen, weil was die reden, des is alles, nur ka Deutsch ned, verstehen S’? Die tan ned tuan, die tan tian! Und die san a ned, die sein.“ Dabei bemühte sich die Jedlicka um ein möglichst phonetisches Nachäffen des Südtiroler Dialekts. „Da war er scho wesentlich mehr auf die Kranewetter versessen, weil die kommen so wie er aus der Böhmei. Irgendwo hinter Iglau waren die daheim. Von dort haben s’ es g’stampert im 19er Jahr. Na, is er nach Wien kommen, der Hermann. Da hat er dann die Fini g’heiratet, die ehemalige Strickwarenmamsell von der Fuhrmannsgassen. Jetzt haben die aa zwa Buam, den Richard und den Schurli. Liebe Buam eigentlich. Und genau des is ihr Gwirks.“
Bronstein ahnte, was die Jedlicka damit meinte.
„Beim Wagner is’ ähnlich. Der hat früher beim Waggonbau g’hackelt und ziemlich gut verdient dabei. Jetzt is er seit fast zehn Jahr hackenstad und schreit bei jeder Gelegenheit, wann der Hitler endlich kumman tät, dann warat endlich alles anders. Den habts eh schon zweimal eing’naht. Und sei Bua is a echte Krätz’n. Ganz der Papa, könnt man sagen. Siegfried heißt er. Und dauernd brunzt er mir ins Stiegenhaus, der Saubartel, der elendige. Aber irgendwann erwisch i eam, und dann is für eam Antoni am Letzten, des sag i Ihnen.“
„Und diese … Witzmanns? Vom Bennoplatz?“
„Na servas. Vor denen tät sogar Ihnen grausen. Die Alte is a Geheime …“
„Was? Eine Kollegin?“
„Na! A Hur. Aber ohne Deckel halt. Die schafft daham an. Drum haut’s ihre Gschrappen dauernd auße, damit s’ die Gschamsterer drüberlassen kann. Des waaß a jeder do im Bezirk. Bitte, i versteh des eh ned, weil die Alte is so was von schiach, da solltert ma glauben, die Mauna miassatn wos zahlt kriagn dafür. I maan, de miassatn S’ sehn: a Gstell wia a Postross, Haxn wia a Elefant und a Haut wia ane von de Kellerleichen da in die Katakomben in Böhmen oben. Und ned amoi Dutteln. Aber bitte. Vielleicht hat’s ja a b’sondere Praktik oder so, wos waaß i. Jedenfois schustert de in ana Tour. Und der Trottel, der wos ihr Mann is, der dackelt ihr hinterher, als wär er ihr persönlicher Leibsklave. Aber der is a a ganz besonderes Siemandl. A Stimm wia a Kastrat, und wennst eam schief anschaust, dann bischt er si an.“
„Und woher, Frau Jedlicka, wissen Sie das alles?“
„Jo mei, i kenn mi aus in mein’ Rayon.“ Die Bestimmtheit, mit der diese Aussage erfolgte, ließ keinen Widerspruch zu. Noch ehe Bronstein dazukam, eine weitere Frage zu stellen, klopfte es an der Tür.
„Wer is nachher des? No ana von eichan Verein?“ Die Jedlicka stieß sich von ihrer Kredenz ab und bewegte sich in Richtung Tür. Als diese geöffnet war, kam Cerny zum Vorschein. „Du“, begann er sichtlich irritiert, „der Frank macht ned auf.“
„Der wird sicher sein Mittagsschlaferl halten“, antwortete die Jedlicka an Bronsteins statt, „des macht der immer so um die Zeit. Warten S’ halt a halbe Stund.“
„Ah ja, verbindlichen Dank.“ Cerny verbeugte sich leicht, machte auf dem Absatz kehrt und begab sich wieder ins Stiegenhaus. Die Jedlicka sah ihm kopfschüttelnd nach. Dann wandte sie sich an Bronstein.
„So hab ich das aber nicht g’meint. Ich hab g’meint, er soll dableiben, da bei uns.“
„Er ist sehr dienstbeflissen, der Kollege Cerny“, sagte Bronstein leichthin.
„Ja, des sieht man. Schad’! So ein fescher Kampel. Da geht einem direkt das Herz auf.“ Die Jedlicka schickte einen sehnsuchtsvollen Blick in Richtung obere Stockwerke.
„Tja, Frau Jedlicka“, bemerkte Bronstein lapidar, „der fesche Kampel ist in festen Händen.“
Die Hausmeisterin wandte sich um und legte sich eine Spur Koketterie zu: „Aber Sie ned, gell?
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