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Zores

Zores

Titel: Zores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Pittler
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als er bisher angenommen hatte!
    „Siehst du, genau das hat mich auch zu dir geführt“, begann er vorsichtig. „Egal, ob die Nazis nun österreichisch oder deutsch sind, für mich wird die Lage hier unhaltbar. Und daher werde ich mir den Vortrag über Japan wohl nicht anhören können.“
    In seinen Augen spiegelte sich eine unendliche Traurigkeit, die auch Johanna anrührte.
    „Das ist ja echt süß von dir, dass du in einer solchen Situation an mich denkst“, bemühte sie sich um ein Lächeln, „aber keine Sorge, ich verstehe dich voll, denn für diese Trottel giltst du ja sicher als Volljude.“
    „Als Volljude?“ Bronstein bemühte sich um einen zweifelnden Gesichtsausdruck.
    „Na ja, ich nehme einmal an, dass deine Großeltern noch Juden waren, oder?“
    „Äh, ja. Zumindest mütterlicherseits, denn der Vater meines Vaters ist mitsamt seiner Frau zum Protestantismus konvertiert.“
    „Tja, das nützt dir nix. Für die Nazis heißt das nach den Nürnberger Gesetzen, du bist Volljude. Bestenfalls, wenn sie die Konversion deines Opas anerkennen, bist du Mischling ersten Grades …“
    „Aber ich bin doch bitte Protestant!“, empörte sich Bronstein, „und im Feld war ich auch! Zählt das etwa gar nichts?“
    Johanna schüttelte langsam den Kopf. „Für die nicht.“
    Bronstein nahm sich eine Zigarette und merkte, dass er zitterte. Johanna streichelte ihm über den Arm.
    „Japan wird wirklich ohne uns auskommen müssen. Das heißt, wenn der Vortrag jetzt überhaupt noch stattfindet. … Ich werd auch nicht dableiben. … Wer will unter so einem Regime schon leben? War ja das alte schon schlimm genug!“
    Bronstein sah auf: „Und wo gehst du hin?“
    „Ich hab Verwandte in Polen. Ein kleines Nest nahe Krakau. Heißt Andrychow. Dort werde ich einmal Station machen. Und dann sieht man weiter. Vielleicht holt mich die Modotti ja nach Mexiko.“
    Dabei lachte sie, wurde aber sogleich wieder ernst. „Und du?“
    „Ich hab keine Ahnung. Eigentlich hab ich ja geglaubt, ich tauch nur übers Wochenende ab. So auf den Semmering oder so. Aber jetzt, wo mir so richtig bewusst wird, dass wir gerade das Ende eines Landes erleben, das Jahrhunderte das Schicksal der Welt bestimmte, jetzt frag ich mich natürlich schon, ob ich nicht … ich mein’, … dauerhaft … nicht?“
    Die Raczek blickte auf die Uhr: „Bald ist’s zehn. Der letzte Zug Richtung Warschau geht um Mitternacht. Den könnten wir noch kriegen!“
    „Du meinst, jetzt sofort?“
    „Na klar – warum nicht?! Worauf willst denn noch warten?“
    „Aber das geht doch nicht. Ich müsste erst packen. Und mich verabschieden. … Jessas, ich war heuer noch nicht einmal am Grab von meinen Eltern!“
    Johanna stemmte die Hände in die Hüften: „Wie du glaubst. Aber wennst jetzt nicht mit mir fahrst, dann dauert’s wieder 25 Jahre, bis wir uns wiedersehen!“
    Bronstein lächelte bitter: „Ja, da betreust mich dann im Altersheim …“
    Der Blick der Raczek blieb unverwandelt. Erst jetzt nistete sich bei Bronstein ein Gedanke ein. „Das … war ein Angebot?“, fragte er ungläubig.
    „Eigentlich ja“, entgegnete sie.
    „Na, wie hätt ich denn ahnen sollen, dass so eine fesche Frau … mich alten Deppen … na ja, anziehend findet.“
    Die Raczek prustete los: „Sei mir nicht bös, David. Aber so war das auch wieder nicht g’meint. Ich hab gedacht, wir könnten gemeinsam palessieren. Ans Heiraten hab ich jetzt nicht gedacht.“
    Ich auch nicht, dachte sich Bronstein, behielt seine Gedanken aber für sich. Viel mehr beschäftigte ihn der eigentliche Inhalt der Raczek’schen Aussage. Das war ja klar gewesen. Eine so schöne, kluge und selbstbewusste Frau wie sie dachte natürlich nicht im Traum daran, sich mit einem alten Wrack wie ihm einzulassen. Wie hatte er bloß annehmen können, dass jemand wie sie jemanden wie ihn attraktiv finden könnte.
    Er räusperte sich. „Wir sollten keine Zeit mehr verlieren. Du nicht, und ich auch nicht. Du solltest packen, wenn du heute noch einen Zug erwischen willst, und ich muss nach Hause, um mir zu überlegen, was ich jetzt als Nächstes mache.“ Er trank den Tee aus und stand auf. „Danke für den Tee und den Schnaps. … Ich muss dann … gehen.“
    Noch einmal berührte Johannas Hand seinen Arm: „Du bist jetzt aber nicht eing’schnappt, gell?!“ Dabei sah sie ihn aus ihren großen Augen fragend an.
    „Na“, er machte eine wegwerfende Handbewegung, „natürlich nicht. Aber es ist, wie du

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