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Zores

Zores

Titel: Zores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Pittler
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zurückkommen.“
    „Aber es ist Freitagabend! Wie soll ich da um Urlaub einkommen?“ Bronstein wirkte konsterniert.
    Cerny lächelte mitleidig. „David, deine Sorgen möcht ich haben. Da geht links und rechts die Welt unter, und du sorgst dich, ob die deinen Urlaubsschein ordnungsgemäß ausgefüllt hast! Nix, du fährst einfach übers Wochenende weg, und am Montag sehen wir dann weiter.“
    „Am Montag muss ich aber wieder in Wien sein“, erklärte Bronstein bestimmt.
    „Muss ich in Wien sein“, äffte Cerny seinen Vorgesetzten nach. „Du g’fallst mir. Vergiss bitte diesen Blödsinn gleich wieder!“
    „Na“, winkte Bronstein ab, „ned wegen dem Büro. Wegen dem Lichtbildervortrag über Japan!“
    Cerny starrte Bronstein entgeistert an: „Sag, spinnst jetzt komplett?! Da draußen schlagen die Nazis alles kurz und klein, und du machst dir Sorgen, dass d’ einen Vortrag über Origami versäumst! Mir scheint, dich haben s’ zu heiß gebadet!“
    Bronstein fuhr verlegen mit dem Fingernagel über die Tischplatte. „Es warat wegen der Johanna“, maulte er schließlich.
    „Ah, da schau her! Alles sinkt in Schutt und Asche, und der saubere Herr Oberst wandelt auf Freiersfüßen. Na, ich glaub das alles ned.“
    „Doch ned a so“, fuhr Bronstein auf, „was du dir schon wieder zusammenreimst. Ich hab doch keinen Stand auf die Johanna! Nein, mit der war ich früher einmal irrsinnig gut befreundet, und drum haben wir uns ausgemacht, wir gehen gemeinsam dorthin. Und da kann ich sie doch nicht einfach sitzen lassen, das wäre unhöflich Ende nie. Und Telefon hat s’ keines, also kann ich das auch nicht einfach absagen.“
    Cerny dachte nach. „Weißt was? Du gehst da jetzt einfach hin zur Johanna und klärst das persönlich“, sagte er dann.
    „Aber das geht doch nicht. … Der Bericht … die Lage … ich muss doch …“
    „Aber gar nichts musst du. Das tut dir eh gut, wennst jetzt auf andere Gedanken kommst. Den Bericht kann ich alleine fertigschreiben, weil da kann praktisch eh nichts Relevantes drinnen stehen. Und an der Lage ändern wir zwei auch nichts mehr.“
    Bronstein scharrte verlegen mit den Schuhen auf dem Boden. Sein Gewissen sagte ihm, dass er sich in diesem Augenblicknicht einfach davonstehlen konnte. Doch sein Herz gestand sich ein, dass er unter den gegebenen Umständen überall lieber wäre als in seinem Büro. „Und dir machert das nix?“, fragte er mit einem hoffnungsvollen Unterton in der Stimme.
    „Im Gegenteil. Ich hätt eine Sorge weniger. … Das heißt, wenn du nachher nach Hause gehst und deinen Kopf nicht irgendwo in die Schusslinie steckst.“ Dabei lächelte Cerny schmal.
    „Keine Angst. Das hab ich nicht vor.“
    „Na dann, Abmarsch.“ Cerny machte eine nachlässige Bewegung mit seiner linken Hand und schickte Bronstein aus dem Raum. Der zog sich wieder seinen Mantel an, nickte Cerny noch einmal zu und begab sich sodann auf die Straße. Noch ehe er das Haupttor des Präsidiums geöffnet hatte, hörte er den Lärm, der von unzähligen Demonstranten herrührte, die eben auf die Universität zumarschierten. Immer und immer wieder erklang „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ und gellte Bronstein infernalisch in den Ohren. Er schlug den Mantelkragen hoch und hetzte bis zur nächsten Ecke, um dort sofort nach rechts Richtung Maria-Theresien-Straße abzubiegen. Erst als das Gebrüll allmählich ein wenig leiser wurde, wagte er es, vom Laufen in ein schnelles Ausschreiten zu wechseln. Er umkurvte die Votivkirche und kam so zur Schwarzspanierstraße, deren Verlauf er ein Stückchen folgte, bis im Hintergrund die Konturen des Allgemeinen Krankenhauses erkennbar wurden. Dort war kein Mensch zu sehen, und so ging er am Gebäude vorbei, bog dann in die Alser Straße ein und erreichte endlich den kleinen Platz, an dem die Skodagasse ihren Anfang nahm. Dort erst begann er sich ein wenig zu entspannen. Freilich nur, bis ihn die Frage streifte, ob Johanna überhaupt zu Hause sein würde. Mit einer großen Portion Bangigkeit öffnete er das Haustor und machte sich daran, Johannas Stockwerk zu erklimmen.
    „Ah, Sie schon wieder! Wissen wir schon was?“ Deutlich erklang die blecherne Stimme der Jedlicka in seinem Rücken. „I waaß, dass i nix waaß“, gab Bronstein über die Schulter zurück. Als er erkannte, dass die Hausmeisterin sich anschickte, ihm zu folgen, drehte er sich abrupt um und scheuchte sie mit beiden Händen in ihre Wohnung zurück. „Gengans wieder eine, Frau

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