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Zorn der Meere

Zorn der Meere

Titel: Zorn der Meere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falconer,Colin
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er Lucretia erblickte?
    Francois tat mittlerweile sein Bestes, um Lucretia aus dem Weg zu gehen, doch bei den Mahlzeiten ließ sich ihr Zusammentreffen nicht immer vermeiden.
    Natürlich zwang er sich auch da, den Blick von ihr abzuwenden, doch das war schwer, da sie direkt an seiner Seite saß.
    Wenn es allein wegen ihrer Schönheit wäre, sagte sich Francois, könnte er sein Verlangen nach einer Weile wohl verwinden, doch es war mehr als das, was ihn zu ihr zog. Es war auch mehr als ihre Klugheit und Bildung. Es lag an dem Funken, der in ihren Augen glühte, der, wie Francois glaubte, demselben Feuer entsprang, das auch in ihm brannte. Es war die Verbundenheit ihrer Seelen, die sie jeweils die feinen Schwingungen im anderen erkennen ließen, ganz gleich, ob sie sich in Worten ausdrückten oder in Gesten.
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    Es war dieses Wissen, das Francois' Leidenschaft zu einem Ausmaß trieb, das die Form einer Obsession, einer Krankheit angenommen hatte.
    Zuweilen versuchte er bei Tisch, sich mit irgendeiner belanglosen Unterhaltung abzulenken, doch auch das half ihm nichts. Bereits nach kürzester Zeit irrten seine Augen abermals zu Lucretia, saugten sich an einem Stück Haut fest, an ihrem Halsband oder an der Ader, die darunter pochte.
    Wie konnte es angehen, fragte sich Francois dann, dass diese außergewöhnliche Frau einem simplen Juwelier angehörte?
    Manchmal dachte er sogar noch einen Schritt weiter und überlegte, ob nicht gerade dieser Umstand dazu diente, ihm die Sinnlosigkeit seines Strebens vor Augen zu führen.
    An anderen Tagen bemühte sich Francois, Fehler an Lucretia zu entdecken, und hielt sich vor Augen, dass sie zu frei ihre Meinung kundtat, dass es ihr überhaupt an Strenge und Zurückhaltung gebrach. Hie und da ging er sogar so weit, sie für die Macht, die sie über ihn ausübte, zu hassen, und bestrafte sie, indem er das, was sie zu ihm sagte, achtlos überging. Doch auf Dauer gelang ihm das ebenso wenig wie alle anderen Versuche zu seiner Rettung.
    Am schlimmsten waren die Augenblicke, in denen Lucretia ihm Blicke zuwarf, die sich für eine verheiratete Frau nicht ziemten, und anschließend fortsah und dann wieder zu ihm hin.
    Später fragte sich Francois, ob er diese Blicke womöglich nur erfunden hatte, weil er sie sich wünschte oder weil seine Eitelkeit sie ihm vorzugaukeln schien.
    So geht das nicht weiter, beschwor er sich tausend und abertausend Mal. So darf das nicht weitergehen.
    In den za hlreichen Nächten, in denen Francois nicht schlafen konnte, begab er sich an Deck und verlor sich in der Betrachtung der Wasserspur des Schiffes, die im Mondlicht aussah wie ein langer Streifen aus gläsernen Splittern. Doch
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    auch dann ging es wieder los, und es dauerte nicht lang, bis Lucretias Bild aus den Wellen trat.
    Welcher Wahn hat mich befallen? schoss es Francois durch den Kopf, während er still immer wieder hilf mir flehte. Hilf mir, Allmächtiger, denn allein kann ich dagegen nicht an.
    Lucretia schaute dem Skipper zu, der seine Befehle von der Brücke zu den Masten hochbrüllte, wo die Dunkelheit die Männer verschluckte.
    »Sehr eindrucksvoll, ihn bei der Arbeit zu beobachten, nicht wahr?«
    Lucretia blickte sich um. Dicht neben ihr stand der Unterkaufmann Cornelius.
    »Der Steuermann lenkt zwar das Ruder, doch Schiffe dieser Größe werden vornehmlich durch Besan- und Sprietsegel vorangetrieben. Das erfordert größtes Geschick seitens des Kapitäns.«
    »Oh, ich glaube, unser Kapitän ist trotz seiner schlechten Manieren äußerst geschickt.«
    »Es heißt, er sei der beste Skipper der Gesellschaft. Deswegen sieht man ihm seine Manieren wohl nach.«
    »Schon möglich«, entgegnete Lucretia unwillig. »Richtig ist das aber nicht.«
    Jeronimus strich sich über die Haare, die der Wind aufrecht gestellt hatte.
    Lucretia musterte ihn nachdenklich. Ich mag es nicht, wie selbstverliebt er mit seinem Äußeren umgeht, fuhr es ihr durch den Sinn. Die Art, in der er sich die Haare glattzupft, bin ich eigentlich eher von Frauen gewohnt.
    Nachdem sie für eine Weile geschwiegen hatten, ergriff Jeronimus abermals das Wort. »Erscheint es Euch nicht auch faszinierend, bis ans Ende der Welt zu segeln, ohne sich darüber
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    großartig den Kopf zu zerbrechen? Ich finde, wir leben in erstaunlichen Zeiten.«
    »Ich hätte es vorgezogen, in Holland zu bleiben«, entgegnete Lucretia unwirsch.
    »Sehnt Ihr Euch denn nicht nach dem Wiedersehen mit Eurem Herrn Gemahl?«
    »Natürlich tue ich

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