Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zorn der Meere

Zorn der Meere

Titel: Zorn der Meere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falconer,Colin
Vom Netzwerk:
nicht?«
    Francois zögerte. Dann gab er dem Marschall ein Zeichen.
    »Holt Jan Everts aus seinem Kerker!«, befahl er ihm barsch.
    Als Francois das Oberdeck durchquerte, wanderten seine Blicke prüfend über die Gesichter der Offiziere und ranghohen Angestellten der Companie. Dabei fiel ihm auf, dass er Jeronimus bereits seit einer Weile nicht gesehen hatte. Ob er zu denen gehörte, die bei dem ersten Aufprall über Bord gegangen waren?
    Auf dem Batteriedeck konnte man die Hand kaum vor Augen sehen, doch als das Schiff zu kreischen und zu stöhnen begann, rappelten sich die Menschen schreiend auf und stolperten blindlings auf die Aufgänge zu.
    -173-

    Sussie blieb zurück und klammerte sich an einer der Kanonen fest. Sie wollte nicht sterben, wollte nicht an Deck, um in den dunklen, kalten Fluten zu versinken. Eine rohe Faust packte sie und stieß sie rücksichtslos zur Seite. Wie aus dem Nicht s war eine Gruppe Kanoniere aufgetaucht, die nun die schweren Bronzerohre von den Lafetten lösten und sie durch die Geschützpforten
    ins Meer hinausschoben. Der Marschall trieb sie an, doch währenddessen liefen ihm Tränen über die Wangen.
    Wir gehen unter und sterben, dachte Sussie, und der Fettsack steht da und beweint den Verlust seiner schönen Kanonen. Über sich hörte sie das Getrappel unzähliger Füße. Sie nahm all ihren Mut zusammen und drückte sich an den Soldaten vorbei.
    Danach machte sie sich schweren Herzens an den Aufstieg an Deck.
    Nachdem die Kanonen im Meer versenkt worden waren, trug der Marschall den Männern auf, die Truhen mit den Silbermünzen aus dem Laderaum zu bergen und sie mithilfe einer Seilwinde an Deck zu befördern. Als die Soldaten den Frachtraum betraten, glaubten sie jedoch ihren Augen nicht zu trauen, denn vor ihnen waren bereits die französischen Söldner eingetroffen, hatten die Weinfässer angestochen und waren dabei, sich sinnlos zu betrinken.
    »Was - was soll das? Was fällt euch ein?« Das Gesicht des Marschalls war dunkelrot angelaufen.
    Einer der Franzosen schwankte auf ihn zu. »Wollen nicht nüchtern ersaufen«, lallte er.
    »Ich werfe euch eigenhändig über Bord, wenn ihr nicht spurt!«, schrie der Marschall. »Ihr schafft mir umgehend die Schatztruhen an Deck!«
    Als Antwort drehte der Franzose sich um, ließ seine Hose herunter und reckte ihm sein blankes Hinterteil entgegen.
    -174-

    »Wozu das Silber retten?«, murrte ein anderer. »Von hier kommt sowieso keiner mehr lebend fort.«
    »Wir werden alle krepieren!«, krakeelte ein dritter, woraufhin alle die Becher hoben und seinen Satz wie einen Trinkspruch nachgrölten.
    »Ihr macht euch sofort an die Arbeit!«, versuchte der Marschall sie zu übertönen.
    »Scher dich zum Teufel!«, krächzte einer.
    Das ist die Gefa hr bei den französischen Söldnern, überlegte Wiebe, der hinter dem Marschall stand. Sie kennen keine Treue gegenüber der Companie. Er bückte sich, um die erste Truhe anzuheben. Gott steh mir bei! dachte er dann unwillkürlich.
    Doch sollte er gerade anderweitig beschäftigt sein, gab es für sie wahrhaftig kein Entrinnen.
    Der Mond war hinter dem schwarzen Horizont verschwunden.
    Sussie hörte, wie der Kiel über felsigen Untergrund schabte, und sie nahm das Tosen und Rauschen der Brandung wahr, die ihre Gischtwolken über sie sprühte und sie bis auf die Haut durchnässte.
    Ich will nicht ertrinken, jammerte Sussie still vor sich hin. Ich will keine Leiche sein, der sich Seetang um die Haare schlingt und deren Leib das Wasser aufbläht. Ich will auch nicht als Jungfrau sterben.
    Sussie sah, dass die Menschen auf der Steuerbordseite des Schiffes zu dem aufragenden Bug hinüberliefen, der unter ihrem Gewicht schaukelte, ehe er nachgab und sich noch schiefer legte.
    Sussie hörte die Stimme ihrer Schwester nach ihr rufen und kämpfte sich zu ihr durch. Dann warf sie sich Tryntgen in die Arme und krallte sich an ihr fest. Auf diese Weise, dachte sie, bin ich doch wenigstens nicht allein, wenn ich ertrinke.
    -175-

    Der Wind war heftiger geworden und trieb Regenschauer vor sich her. Francois hatte den Schiffsrat einberufen, der sich nun auf dem Quarterdeck versammelte. Der Skipper gehörte dazu, Claas Gerritz, der Erste Steuermann - und auf Wunsch des Kapitäns auch der Bootsmann Jan Everts, der der einen Hölle entronnen war, nur um in die nächste zu gelangen. Seine Handgelenke bluteten noch immer von den Fesseln, die man ihm inzwischen abgenommen hatte. Er stand gekrümmt da, und in seinen Augen

Weitere Kostenlose Bücher