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Zorn der Meere

Zorn der Meere

Titel: Zorn der Meere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falconer,Colin
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weißglühende Wut spiegelte. »Hau ab!«, brüllte er.
    »Verschwinde! Jammerlappen wie du haben hier nichts zu suchen!«
    Sussie hatte bisher noch keine Gelegenheit gehabt zu erleben, was Furcht im Menschen bewirken kann, doch nun bekam sie es aus nächster Nähe mit. Sie kauerte in der dunklen Nacht auf
    -178-

    Deck, hörte die Brandung rauschen und kochen, spürte das Scharren des Kiels auf den Felsen und nahm die gellenden Schreie und die flehentlichen Gebete der anderen wahr.
    Sie würden alle sterben, so viel stand für Sussie fest. Nein, verbesserte sie sich, sie würden elend ersaufen. Vor Kälte erstarrt würden sie im Wasser versinken oder, hilflos mit den Armen rudernd, ein letztes Mal kämpfen. Und dann käme der Tod.
    Ich tue alles für dich, barmherziger Gott, betete Sussie, und schmiegte sich enger an Tryntgen. Ich will nur dich in Zukunft lieben, das schwöre ich dir. Alles, was du willst, tue ich - aber bitte mach das hier rückgängig, erlöse mich von diesem ungeheuren Entsetzen. Lass mich am Leben!
    Die Stunden verrannen langsam, ehe sich das erste blasse Grau am Horizont zeigte und sich zögernd zu einem Lichtstreifen verbreiterte. Sussies Blick verharrte gebannt darauf. Wenig später glaubte sie, auf dem Wasser Schaumkronen zu entdecken, doch als es heller wurde, stellte sie fest, dass die vermeintlichen Wellenlinien sich nicht bewegten.
    »Land! Dort hinten ist Land in Sicht!« Sussie sprang auf und deutete voraus.
    Der Lärm der anderen verstummte. Jeder Blick folgte ihrem Fingerzeig.
    »Der Herr sei gelobt!«, stöhnte Pfarrer Bastians auf.
    »Der Herr sei gelobt! Wir sind gerettet!« Die Menschen fassten sich an den Händen und umarmten sich.
    Sie hatten es gewusst. Gott ließ sie seine Auserwählten nicht im Stich. Er beschützte die Gerechten.
    -179-

    XI

    Um sich die Zeit zu vertreiben, fragt sich der Mensch gern, was geschehen wäre, angenommen wenn...
    Warum sollen wir nicht einmal das gleiche Spielchen betreiben?
    Angenommen, unsere Reisenden wären nicht auf dem Riff aufgelaufen, was wäre dann geschehen?
    Lucretia hätte sich wieder auf ihren Herrn Gemahl konzentriert. Francois hätte einen Gouverneursposten erhalten und wäre später Mitglied des Ostindienrates geworden. Der Kapitän wäre weiterhin zur See gefahren, und vielleicht hätte er sich eines Tages zu Tode getrunken oder man hätte ihn bei einem Raufhandel niedergestreckt.
    Doch der Herr hat es nicht so gewollt, würde Pfarrer Bastians Ihnen erklären. Wieder andere würden dafür das Schicksal verantwortlich machen.
    Ich hingegen bin fest davon überzeugt - und diese Überzeugung beruht auf langer Erfahrung -, dass jeder der gerade Genannten dem Unheil längst entgegenstrebte.
    Oh, ich verstehe! Sie stören sich an meinem Fatalismus.
    Dabei bin ich gar kein Fatalist, sondern argumentiere vielmehr zuversichtlich. Ich weiß nämlich, dass jeder die Saat der Zerstörung in sich trägt, und häufig muss gar nicht viel geschehen, um sie erblühen zu lassen.
    Deshalb wollen wir das Houtmans Riff lediglich als Auslöser betrachten. Anschließend folgen wir der Erkenntnis, dass extreme Situationen den wahren Kern des Menschen ans Tageslicht bringen.
    Und nun wollen wir sehen, was daraus wird!

    -180-

    Auf dem Wrack

    Als das Morgenlicht sich ausgebreitet hatte, wurde deutlich, dass sich am Horizont ein hügeliges Eiland erhob, und ihm vorgelagert zeichnete sich eine Gruppe kleinerer Felseninseln ab.
    Francois entsandte den Kapitän mit dem Dingi, damit er die Inseln näher erkundete.
    Als Jacobs zurückkam, erklärte er, dass sie dort sicher sein würden, denn die Inseln seien trocken und befänden sich demzufolge über dem Pegel der Flut.
    Schweren Herzens entschloss sich Francois zu dem nächsten Unterfangen, nämlich einen Teil der Fracht dorthin an Land zu schaffen. Er stieg den Niedergang zum Laderaum hinab.
    Von unten tönte Francois grölender Gesang entgegen. Er hielt inne und betrachtete entgeistert die Truppe französischer Söldner, die, nachdem sie sich über die Wein- und Cognacfässer hergemacht hatten, betrunken durcheinander torkelten und gemeine Gassenlieder brüllten. Als er ihnen Ruhe gebot, wurde aus ihrem Grölen lachendes Gekreische.
    Francois drängte sich an ihnen vorbei und stellte fest, dass einer bereits eine Axt über den Schatztruhen schwang. Er kannte ihn vom Sehen. Thiriou hieß er, wenn er sich recht entsann.
    »Scher dich da augenblicklich fort!«, rief Francois.
    Thiriou drehte sich um. »Cul

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