Zorn der Meere
Strand wurden aufgeregte Rufe und Schreie laut. Judith vernahm darunter die Stimme ihres Vaters, die allen herbeizukommen befahl. Sie erhob sich widerstrebend.
Drei Männer waren in die niedrigen Fluten hinausgewatet, streckten die Hände nach einem Stück Strandgut aus und zogen es an Land.
»Das ist ja der Unterkaufmann«, sagte einer von ihnen.
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»Ein Zeichen des Herrn«, verkündete Pfarrer Bastians.
»Demnach gehört er zu den Erwählten.«
Jeronimus begann sich zu regen und spie keuchend Wasser aus Mund und Nase.
Wiebe und Mattys Beer befanden sich unter denen, die sich am Strand versammelt hatten. Judith sah, dass sie Blicke wechselten, in denen sich Erstaunen und Belustigung vermischten.
Der Steinmetz spuckte aus. »Der Teufel lässt die Seinen nicht im Stich«, brummte er.
In diesem Moment rollte Jeronimus sich auf die Seite und erbrach Galle.
»Der Herr sei gepriesen!«, rief Pfarrer Bastians und hob seine gefalteten Hände zum Himmel. »Er hat den Unterkaufmann auserkoren, auf dass er uns aus der Not erlöst.«
Zweiundzwanzig Grad und zweiundvierzig Minuten südlicher Breite
fünfzehnter Tag des Juni im Jahre des Herrn, 1629
Das ist zweifellos der einsamste Ort, den es auf der Welt gibt, dachte Zwaantie. Welch eine glorreiche Idee des Skippers, hier zu landen.
Zwaanties Mund fühlte sich klebrig an, ihre Haut war von getrocknetem Salz wie mit einer Schicht Puderzucker überzogen, und ihr Rock stand steif wie eine Baumrinde ab.
Was gäbe ich nicht für einen Schluck von dem fauligen Wasser und meine harte Pritsche auf der Batavia, seufzte sie bei sich.
Oder für einen Löffel von dem ekelhaften Brei, den der Koch dort zubereitet hat - und was gäbe ich erst recht dafür, Holland niemals verlassen zu haben!
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Die Küste dehnte sich endlos aus und verschwand im Nichts.
Es gab keine Siedlung, keine Bewohner, kein Anzeichen irgendeines Lebewesens.
Zwaantie wandte den Blick ab. Vor ihr lag das endlos weite Meer. Sie schauderte. Die Leere der Landschaft erfasste ihr Gemüt. Sie schlang die Arme um sich und wiegte sich tröstend hin und her.
Der Skipper hatte stolz verkündet, vor ihnen hätte noch kein weißer Mann diesen Boden betreten. Auf dem Südland existiere lediglich Sand, Gestein und Kriechgestrüpp. Richtig, dachte Zwaantie, allerdings wissen wir nun auch, dass es dort Fliegen gibt, und zwar keineswegs die behäbige Sorte, die man in Holland kennt, sondern tückische, angriffslustige Schwärme, die sich in Ohren, Augen und Nasenlöcher setzen und jedes Fitzelchen Haut zerstechen und zerbeißen.
Weit und breit war keine Wasserstelle zu entdecken. Die sandigen Dünen hinter dem Strand gingen in rostfarbene Ebenen über, die sich bis zum Horizont erstreckten. Hier und da waren kleine Erhebungen zu sehen, die sie anfänglich für Hütten von Eingeborenen hielten. Bei näherem Betrachten stellten sie sich indes als riesige Ameisenhügel heraus.
Nachdem sie die Umgebung erkundet hatten, kehrten sie zum Strand zurück. Dort trug der Kommandeur den Männern auf, Gruben auszuheben, in der Hoffnung, Wasserlöcher zu finden.
Nach einer Weile legten sie tatsächlich winzige Lachen frei, doch darin hatte sich Meerwasser gesammelt. Die Männer hatten davon gekostet und es nach einem Schluck ausgespuckt und Gott so bösartig verflucht, das selbst Zwaantie erschrak.
Mit einem Mal wurde wildes Triumphgeschrei laut. Zwaantie blickte sich um und erkannte mehrere Männer, die am Fuß der Kalksteinklippen standen und winkten. Zwaantie eilte mit den anderen zu ihnen hinüber. Im Näherkommen sah sie, dass die Männer auf Tümpel deuteten und sich gleich darauf
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niederließen, um wie Tiere zu trinken. Zwaantie begann zu rennen. Kaum war sie bei dem ersten Tümpel angelangt, kniete sie sich auf den Boden, besprengte sich mit Wasser, tauchte ihr Gesicht in das Nass und öffnete den Mund.
Später entfachten sie aus dürrem Reisig am Strand ein Feuer, in dem sie die Fische brieten, die sie von den Klippen aus geangelt hatten. Der Fang reichte nicht aus, um sie zu sättigen, doch es war besser als nichts.
Zwaantie hörte, dass der Kommandeur abermals bei seinem Lieblingsthema angelangt war. »Hier müssen sich noch weitere Wasserquellen befinden«, erklärte er gerade. »Der Unterkaufmann Jacon Remessens vermutet in seinem Handbuch
-«
»An diesem gottverlassenen Ort gibt es so wenig Wasser, wie es im Kloster Huren gibt«, fiel der Skipper ihm ins Wort. Die Männer begannen zu
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