Zorn der Meere
glucksen, woraufhin der Kommandeur Jacobs einen missbilligenden Blick zuwarf. »Dann gehen die Menschen auf der Insel zugrunde«, murmelte er.
»Gute Güte!«, schnaubte der Kapitän. »Das ist doch lä ngst geschehen. Hört auf, an sie zu denken!«
Als der Kommandeur nichts erwiderte, fuhr Jacobs fort:
»Andererseits dürfte der Sturm auch über der Insel niedergegangen sein. Demnach könnten sie noch für Wochen Wasser haben. In dem Fall ist es erst recht angeraten, nach Batavia zu segeln. Wenn der Wind in Richtung Nordosten dreht, erreichen wir Java in zehn Tagen.«
»Ich würde mich dennoch gern von ihrem Zustand überzeugen«, beharrte der Kommandeur. »Und ich möchte auch wissen, was aus der Fracht geworden ist«, setzte er hinzu.
Der Kapitän verdrehte die Augen und wandte sich ab.
Mach ihn doch einfach fertig, ermunterte Zwaantie ihn stumm. Sieh zu, dass er ein für alle Mal seine Klappe hält. Er erliegt doch ohnehin bald seinem Fieber. Verächtlich blickte sie
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Pelsaert an, der mit hängenden Schultern dastand und zu Boden sah. Welch ein jämmerlicher Wicht! dachte Zwaantie. Was hat Madame Hochnäsig an dem nur gefunden?
Auf dem Friedhof
Als Jeronimus aufsah, erkannte er zwei Gestalten, die sich aus der Dunkelheit lösten und sich neben ihm am Feuer niederließen. Van Huyssen und Zeevanck teilen sich brüderlich vereint eine Flasche Rotwein, stellte er fest. Wer hätte das gedacht?
»Offenbar habt Ihr Euch ein wenig erholt, Jeronimus«, begann van Huyssen.
»Wir hatten große Angst, Ihr wäret tot«, setzte Zeevanck hinzu.
»Welch rührende Sorge«, entgegnete Jeronimus spöttisch.
»Aber ich kann Euch trösten. Ein derart schmähliches Ende hat Gott für mich nicht im Sinn.«
»Wie käme er auch dazu«, murmelte van Huyssen.
Jeronimus musterte ihn prüfend, sagte jedoch nichts.
Zeevanck setzte die Weinflasche an den Mund, trank gierig und stieß auf. Danach blickte er die beiden anderen erwartungsvoll an.
Für eine Weile herrschte gespanntes Schweigen.
»Ich muss fortwährend an das Silber auf der Batavia denken«, ergriff Jeronimus schließlich das Wort. »Es bekümmert mich, dass es für immer auf dem Meeresgrund ruhen soll.«
»Der Kummer hat Euch am Leben gehalten, vermute ich«, sagte van Huyssen grinsend.
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Jeronimus richtete sich auf. »Das reicht«, bemerkte er scharf.
»Wenn der Skipper sein Handwerk besser verstanden hätte, könnten wir uns inzwischen schon auf den Molukken befinden.«
»Ja, schade«, versetzte van Huyssen gleichmütig, »aber stattdessen müssen wir uns vorerst mit dem Houtmans Riff begnüge n.« Jeronimus blickte ihn warnend an.
Zeevanck beugte sich schwerfällig vor. »Hört auf rumzuzanken, van Huyssen!« Er wandte sich an Jeronimus.
»Unser Plan ist entdeckt worden«, erklärte er.
Jeronimus runzelte die Stirn. »Wer hat nicht dichtgehalten?«
»Ryckert«, antwortete van Huyssen. »Er hat sich eines Abends betrunken und von unseren Plänen erzählt. Inzwischen weiß jeder Bescheid.«
»Ryckert war nicht eingeweiht.«
»Er hatte genug mitbekommen, um sich den Rest zusammenzureimen... hat geglaubt, der Skipper hängt mit drin...« Zeevancks Stimme war schleppend geworden.
»Hat er unsere Namen erwähnt?«
»Dazu ist er nicht mehr gekommen.« Zeevanck stieß abermals auf.
»Wo steckt er jetzt?«
»Ihm ist noch in derselben Nacht etwas zugestoßen«, erklärte van Huyssen. »Ein bedauerlicher Unfall. Ich war dabei. Es war schrecklich.«
»Wir finden heraus, wer auf unserer Seite steht«, bemerkte Zeevanck dumpf. »Die anderen bringen wir um.«
Jeronimus schaute ihn verblüfft an. Dann legte er seinen Kopf in den Nacken und lachte schallend auf. Die feine Companie schien sich neuerdings recht blutrünstiger Gestalten als Schreiber zu bedienen. »Da kann der Kommandeur aber von Glück sagen«, bemerkte er heiter, »dass Ihr ihn noch nicht mit Eurer Feder abgestochen habt.«
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Jeronimus machte eine abwiegelnde Geste, als er Zeevancks beleidigte Miene sah. Der Mann meint es offenkundig ernst, dachte er.
Jeronimus' warf einen Blick auf van Huyssen. Bei dem wundert mich nichts, überlegte er. Der Bursche ist seit jeher ein Sadist gewesen.
Jeronimus bega nn zu kichern.
»Schön, dass Ihr alles so lustig findet«, brummte Zeevanck verdrießlich. Er wirkte mit einem Mal wieder nüchtern. »Wenn Ihr Euch beruhigt habt«, fuhr er fort, »könnt Ihr uns vielleicht sagen, ob wir weiterhin jeden mit Wasser und Nahrung versorgen oder
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