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Zorn der Meere

Zorn der Meere

Titel: Zorn der Meere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falconer,Colin
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    Java. Demzufolge wird auch der Kommandeur die Reise schaffen, es sei denn, er erliegt seinem Fieber. Wenig später wird die Gesellschaft Jacobs mit der Bergung von Fracht und Menschen betrauen, weil niemand außer ihm die Stelle kennt, an der sich das Wrack befindet. Bis dahin, überlegte Jeronimus, musste er gerüstet sein, um die Mannschaft des Rettungsschiffes gebührend zu empfangen - und dann übernähme er das Schiff.
    Das war seine Gelegenheit. Danach bräche er auf, würde Herr aller Meere und baute sich ein Königreich, das seinesgleichen suchte. Jeronimus überlief ein Schauer. Er spürte das Gefühl eines glühenden Triumphes in sich aufsteigen.
    Einfach nur einen kleinen Schritt in die Dunkelheit machen, befahl sich Lucretia. Allen Mut zusammennehmen, ein Bein vor das andere setzen, mehr ist es nicht.
    Früher war ihr das doch auch nicht schwer gefallen, warum also sollte ihr dergleichen nicht abermals gelingen?
    Du musst dich nicht fürchten, redete Lucretia sich zu. Die Frauen wachen über dich, sie passen auf. Sie werden dich schützen.
    Seit einigen Tagen schlief Lucretia bei den Frauen, die sich ein großes Zelt teilten. Es waren etwa ein Dutzend, die nachts eingerollt auf dem nackten Erdboden lagen und sich unter den wenigen Decken wärmten.
    Die Nähe ihrer Körper störte Lucretia nicht. Sie wollte nur ruhig daliegen, furchtlos einschlafen, ihre Träume vergessen.
    In dieser Nacht jedoch wollte sie prüfen, ob sie noch etwas von ihrer alten Kraft besaß, ob sie sich allein hinaus ins Dunkle wagte.
    Schritt für Schritt, spornte sie sich an. Du kannst es, Lucretia, geh los! Na, siehst du, mach schon... geh weiter... nicht kneifen... noch ein Stück... und noch eins, so ist's gut.
    Nachdem sie ein paar Schritte geschafft hatte, hielt Lucretia inne, ließ sich von der Nacht umhüllen und atmete tief ein und
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    aus. Bisweilen hörte ihr Atem sich zittrig an, und sie spürte ein Kribbeln im Leib, doch wenn sie sich dann umwenden und flüchten wollte, schloss sie die Augen und rührte sich nicht, zwang sich zu verharren.
    Für lange Zeit stand Lucretia still und lauschte in die Dunkelheit. Sie hörte den Wind und die Brandung. Stimmen und Gerüche mischten sich in das Rauschen, brüchiger Widerhall dessen, was geschehen war.
    Mit einem Mal schlug Lucretia die Augen weit auf und blickte entschlossen in die Schwärze. Dann legte sie den Kopf in den Nacken. Gib mir meine Seele zurück! forderte sie von einer Macht, deren Anwesenheit sie irgendwo erahnte.
    Wie zur Antwort strömte etwas durch sie hindurch, das bis in ihre Fingerspitzen drang und sie wohlig erwärmte.
    Ein ungeheures Gefühl der Dankbarkeit überkam Lucretia.
    Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Dann stieß sie einen tiefen Seufzer aus. Es war getan. Sie hatte einen Teil von sich zurückerobert. Den würde sie nun hüten, darauf würde sie bauen.
    Lucretia kehrte um. Das Schlimmste, was man sich vorstellen konnte, war ihr zugestoßen, doch es hatte sie nicht zerstört. Nun konnte sie den nächsten Schritt tun, nun konnte sie beginnen, sich ihr Leben wieder zu eigen zu machen.

    Zweiundzwanzig Grad und zweiundvierzig Minuten südlicher Breite

    Jan Everts spielte mit seinem Messer, drehte es hin und her, wog es in der Hand. Komm schon näher, du erbärmlicher Hund!
    dachte er. Komm einfach über die Düne gewandert, fort von den anderen. In null Komma nichts ist es getan. Ich will dich fertig machen, ich steche dich ab! Danach schaufle ich Sand über dich,
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    und dann ist die Sache vergessen. Länger als zwei, drei Stunden sucht der Skipper dich nicht, du Bastard. Er wird denken, du wärest herumgeirrt und hättest dich auf der Suche nach deinem gottverdammten Wasser verlaufen.
    Ich muss es jetzt tun, überlegte Jan, denn auf dem Boot ist es zu gewagt. Irgendeiner würde mich bestimmt verraten.
    Halfwaack gewiss, vielleicht sogar der Skipper. Dann blühen mir Rad und Galgen. Also muss es heimlich geschehen, und nun ist die beste Gelegenheit. Warum tritt der Mistkerl nicht einmal beiseite, geht in die Dünen, erleichtert sich? Ich käme von hinten und schon hätte ich ihn, am besten noch mit heruntergelassener Hose, das wäre überhaupt der Witz.
    Prächtig! Er macht sich auf die Socken, schlendert am Strand entlang. Los, beeil dich, Junge, komm, hier spielt die Musik! Ich kann es kurz machen, wenn du willst, ruckzuck. Ja, schau dir in Ruhe die Landschaft an, hier gibt es ja auch so unendlich viel zu sehen.

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