Zorn des Loewen
Colonel Mallory?«
»Nicht besonders.«
»Darf ich fragen, warum? Ich tu' nur meinen Job.«
»Wenn ich mich recht erinnere, war das Ihre Entschuldigung in Korea, als Sie und ein, zwei andere Leute Ihrer Sorte eine Einladung der Chinesen annahmen, um sich die Zustände auf der anderen Seite der Front anzuschauen.«
»Aha, jetzt verstehe ich«, sagte sie, und ihre Stimme verlor sich in einem langen Seufzer.
»Sie schrieben ein paar hervorragende Artikel darüber, wie gut die Gefangenenlager waren«, berichtete Mallory weiter. »Wie gut wir behandelt wurden. Ich habe sie gelesen, nachdem ich entlassen war. Klar, man hat Ihnen nie unser Lager vorgestellt, Mrs. Hume, was kaum überrascht. Ungefähr um die Zeit, als Sie Ihren Besichtigungsausflug antraten, war ich sechs Monate in einem kleinen Bambuskäfig untergebracht, um der Wahrheit genüge zu tun: Wir waren etwa zwanzig. Eine gesunde Erfahrung, insbesondere weil gerade der Winter einsetzte.«
»Ich habe die Tatsachen berichtet, die ich gesehen habe«, sagte sie schlicht.
»Leute wie Sie machen das immer, ich weiß.« Er leerte fast das halbe Glas und fuhr fort: »Es gibt etwas, das mich brennend interessiert: Warum geht es immer nur gegen Ihr eigenes Land? Warum ist es nie die andere Seite? Ich meine, was nagt wirklich an Ihren Eingeweiden?«
Sie konnte nur mit äußerster Mühe ihre Wut zähmen, das war deutlich zu sehen, und als sie antwortete, zitterte ihre Stimme leicht: »Wo es um ein moralisches Prinzip geht, verwahre ich mich gegen einen aufgesetzten Nationalismus.«
»Ist das eine Tatsache?« fragte Mallory. »Nun, dann will ich Ihnen mal was anderes erzählen, Mrs. Hume. Mir sind die da draußen im Dschungel allemal lieber als Sie und Ihre Kollegen. Die wenigstens kämpfen für ihre Überzeugung. Dafür respektiere ich sie.«
»Selbst wenn sie Nonnen und junge Mädchen töten?« spottete sie.
»Wir haben solche Sachen während des Krieges in weit eindrucksvollerem Maße gelöst. Für einen Puristen, wie Sie einer sind, gibt es doch kaum einen Unterschied zwischen der Granate eines Terroristen und der Bombe, die durch Knopfdruck aus dreizehntausend Metern Höhe ausgelöst wird.« Sie war plötzlich sehr still, und er sagte schlicht: »Fast hätte ich's vergessen: War nicht Ihr Mann im Krieg Bomberpilot? Ich glaube, seine Meinung wäre höchst interessant.«
»Mein Mann ist tot, Colonel Mallory. Er fiel im Krieg.«
»Ich weiß, Mrs. Hume.« Seine Stimme war weich.
Sie wandte sich jäh um und ging zurück ins Haus. Mallory zog eine Zigarette hervor und entzündete ein Streichholz am Geländer.
In den Büschen unter ihm raschelte es. Sergeant Tewak trat hervor und meldete mit gedämpfter Stimme: »Colonel, es gibt schlechte Nachrichten am Kommandoposten. Es wäre gut, wenn Sie kommen könnten.«
Mallory schaute rasch über seine Schulter zurück. Mr. Li und Mary Hume hatten die Köpfe zusammengesteckt und unterhielten sich ernst. Suwon war damit beschäftigt, am Sideboard Drinks herzurichten. Er sprang über das Geländer und folgte Tewak durch das Gebüsch.
Der kleine Malaye lief schweigsam voran. Er führte sie durch das hintere Tor hinaus, den Hügel hinab ins Dorf. Die Straßen waren ruhig. Draußen vor dem Kommandohaus jedoch fand Mallory, wie es schien, die gesamte Einheit in Zweier- und Dreierreihen angetreten. Jeder Mann bewaffnet und abmarschbereit.
Als Tewak ihn zur Vorratshütte an der Seite des Haupthauses führte, bemerkte Mallory, wie sich eine Leere in der Magengegend breit machte. Der Malaye öffnete die Tür, schaltete das Licht an und ging hinein.
Der Körper war mit einer Zeltplane bedeckt und lag auf einem Zeichentisch in der Mitte des Raumes. Mallory wußte sofort, daß es Gregson war. Er erkannte die amerikanischen Fallschirmspringerstiefel, die Gregson sich drei Monate zuvor in einem Second-Hand-Laden in Singapur gekauft hatte. Tewak zog die Zeltplane zurück und wartete mit versteinerter Miene.
Die Zähne waren fest aufeinandergepreßt, die Lippen im Todeskampf zurückgezogen. Die Hände waren ihm auf den Rükken gebunden. Die Augen hatte man ihm offensichtlich, als er noch lebte, ausgedrückt. Der Rest war nur eine Masse rohen Fleisches.
Mallory holte einmal tief Atem und wandte sich ab. »Wann ist das passiert?«
»Vor ungefähr einer halben Stunde. Man hatte ihm einen Hinweis gegeben, daß sich im Haus von Sabal, dem Fährmann, ein verwundeter
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