Zorn des Loewen
britischen Parlaments in meinem Haus begrüßen zu dürfen.«
»Ich fürchte, Sie hinken der Zeit ein wenig hinterher, Mr. Li«, antwortete sie leichthin, als Suwon mit dem Kaffee hereinkam. »Ich interessiere mich nicht mehr für Politik. Ich bin nur noch eine einfache Journalistin, die als Sonderkorrespondentin arbeitet.«
»Um selbst herauszufinden, wie die Dinge im Grenzland stehen?« Mr. Li lächelte. »Welch glücklicher Umstand, daß Colonel Mallory sich bereit erklärt hat, während seines Aufenthaltes hier, meine Einladung anzunehmen. Ich bin sicher, daß es keinen besseren Fachmann gibt, der über die wirren Zeiten, in denen wir uns befinden, Auskunft geben könnte.«
»Ich habe schon Einblick in Colonel Mallorys Methoden bekommen«, bemerkte Mrs. Hume kühl und wandte sich an Mallory, der am gegenüberliegenden Ende des Tisches Platz genom men hatte. Er trug eine vorzüglich geschnittene Ausgehuniform, das Ordensband und die S. A. S.-Flügel über der linken Brusttasche waren Farbtupfer, die im Licht der Lampe schimmerten. »Ich bin durch Perak gefahren, eine Ortschaft ungefähr fünfzehn Kilometer südlich von hier im Landesinnern. Jedes Haus bis auf den Grund niedergebrannt, auf Ihren Befehl hin. Frauen und Kinder obdachlos, und das in Anbetracht der nahenden Regenzeit.«
Suwon beugte sich über Mallorys Schulter, um ihm Kaffee einzuschenken. Ihr betörender Duft wehte ihm in die Nase. »Auf eine meiner Patrouillen ist vor zwei Tagen ein Anschlag verübt worden, in Perak. Vier Männer wurden getötet, zwei verletzt. Die Dorfbewohner hätten sie warnen können. Das taten sie aber nicht.«
»Weil sie Angst hatten«, warf sie ärgerlich ein. »Das liegt doch auf der Hand. Die kommunistischen Partisanen müssen sie mit Drohungen dazu gezwungen haben, zu schweigen.«
»Ganz richtig«, antwortete Mallory schlicht. »Darum habe ich ihre Häuser anzünden lassen. Beim nächsten Mal werden sie sich's zweimal überlegen.«
»Aber Sie verlangen Unmögliches von diesen Menschen«, unterbrach sie ihn. »Sie sollen die eigenen Landsleute verraten.«
»Diese Dinge werden Leute wie Sie nie begreifen. Die Männer, die angegriffen und getötet wurden, meine Soldaten, waren Malayen. Die Guerillas, die auf sie geschossen haben, Chinesen.«
»Nicht alle.«
»Einige sind malayische Chinesen, darüber will ich mit Ihnen gar nicht streiten, aber die Mehrzahl sind chinesische Kommunisten, ausgebildet und bewaffnet von der Armee der Volksrepublik China und über Thailand nach Malaya eingeschleust.«
»Was Colonel Mallory sagt, ist ganz richtig, Mrs. Hume«, warf Mr. Li ein. »Diese Terroristen sind schreckliche Menschen. Sie haben uns in dieser Gegend das Leben sehr schwer gemacht.«
»Für Ihre Geschäfte, meinen Sie«, gab sie scharf zurück.
»Aber natürlich.« Mr. Li war kein bißchen verstimmt. »Viele der großen Kautschukgesellschaften mußten ihren Betrieb einstellen, und dem Holzhandel wird es bald ähnlich schlecht ergehen. Im Sägewerk machen meine Arbeiter schon Kurzarbeit. Dies sind Menschen, die wirklich leiden müssen, wissen Sie. Vor zwei Wochen wurde die katholische Mission in Kota Banu angegriffen. Der diensthabende Priester war zu jenem Zeitpunkt nicht anwesend, aber zwei Nonnen und dreizehn junge Mädchen wurden getötet.«
»Sie vergeuden Ihre Zeit, Mr. Li«, sagte Mallory verärgert. »Das sind nicht die Geschichten, die Mrs. Hume hören möchte. Ihr Blatt druckt solche Berichte auf Seite sieben ganz unten links.«
Er griff sein Glas mit dem Brandy und ging hinaus auf die Veranda, während sich Mr. Li mit erhobener Stimme hinter ihm entschuldigte. Mit der hereinbrechenden Dunkelheit kam jenseits des Flusses Leben in den Dschungel. Baumfrösche versetzten mit ihrem Quaken die Luft in Schwingungen, Brüllaffen tobten durch die Bäume, und über allem lag das ständige, rhythmische Zirpen der Zikaden.
An seiner Schulter hörte er Mary Hume mit trockener, ungerührter Stimme sagen: »In Singapur wird erzählt, daß Sie während des Kelantang-Einsatzes Gefangene erschossen haben. Ist das wahr?«
»Ich war einer anderen Bande dicht auf den Fersen. Ich brauchte jeden Mann.« Mallory zuckte mit den Achseln. »Gefangene hätten uns nur aufgehalten.«
»Und jetzt wird es eine Untersuchung geben. Man wird Sie rausschmeißen, das wissen Sie.«
»Und, ist das nicht genau das, was Sie wollen?«
Sie runzelte die Stirn: »Sie mögen mich nicht,
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