Zorn des Loewen
schaute dann hoch. »Sie sind ein harter Bursche, Colonel Mallory.«
»Wenn es nötig ist«, antwortete Mallory. »Sie hätten etwas unternehmen können, um das zu beenden. Warum haben Sie das nicht getan?« Er wandte sich ab, ohne auf eine Antwort zu warten und kehrte zu seinem Tisch zurück. »Ich glaube, das war genug für einen Abend. Sollen wir gehen?«
Hamish Grant war blaß und seine Nasenflügel bebten leicht, als er sich erhob. »Ich glaube, daß es endlich an der Zeit ist, daß ich Ihnen einen ausgebe, Colonel Mallory. Ich habe zu Hause einen ziemlich außergewöhnlichen Whisky. So irisch, daß man noch den Torf schmecken kann. Mich würde Ihre Meinung dazu interessieren.«
Anne war ganz blaß und zitterte. Mallory drückte beruhigend ihre Hand. Sie standen auf und gingen auf die Tür zu. Da stellte sich ihnen de Beaumont in den Weg.
»Einen Moment, General. Vielleicht erlauben Sie mir, Ihnen gegenüber mein Bedauern für dieses betrübliche Vorkommnis auszudrücken. Jacaud ist auch in seiner besten Zeit ein Hitzkopf. Aber wenn er getrunken hat…«
»Kein Anlaß, eine Erklärung abzugeben«, unterbrach Hamish Grant kühl. »Ich meine, die Situation ist angemessen geregelt worden.«
Das Lächeln gefror auf de Beaumonts Gesicht. Er wandte sich scharf ab. Sie gingen hinaus.
Fiona setzte sich ans Steuer, Guyon daneben und Anne und der General auf den Rücksitz. Mallory warf die Tür zu und beugte sich ins offene Fenster.
»Wenn Sie nichts dagegen haben, General, würde ich die Einladung gern für ein anderes Mal annehmen. Mir hat die Aufregung für heute abend gereicht.«
Anne wandte sich zu ihm hin, und er drehte sich schnell weg, um ihr keine Zeit für eine Diskussion zu geben. Er machte sich auf den Weg zur Anlegestelle hinunter. Kurz darauf heulte der Motor auf, und der Wagen fuhr davon.
An der Mole wendete er sich nach rechts und folgte einem kleinen steil abfallenden Pfad, der zu einem schmalen Sandstreifen hinunterführte, der hell im Mondlicht lag. Die Wellen kräuselten sich über dem Kies und verursachten dabei ein schlürfendes Geräusch.
Er setzte sich auf einen Felsblock und zündete sich eine Zigarette an. Seine Finger zitterten leicht. Er sog den Rauch tief ein, füllte seine Lungen damit und entließ ihn wieder mit einem langen Seufzer.
Hinter ihm sagte Anne: »Du machst wohl keine halben Sachen, nicht wahr?«
»Was willst du damit sagen?« fragte er schlicht.
»Wie mir scheint, haben wir schon einmal so eine Unterhaltung gehabt.«
Sie flüsterte seinen Namen, und sie kamen sich ganz selbstverständlich und ungezwungen entgegen. Ihre Hände zogen seinen Kopf herunter, und ihr Mund suchte seine Lippen. Sie verströmte einen süßen Duft, der alle Gedanken aus seinem Bewußtsein verscheuchte. Er nahm sie in seine Arme auf und legte sie behutsam in den weichen Sand.
11
An einem einsamen Ort
Der Wind frischte auf und zierte die Wellen mit Schaumkronen. Als das kleine Beiboot die Landzunge umrundete, schwappte Wasser über den Dollbord. Guyon verlagerte sein Gewicht vorsichtig zur Mitte hin und begann, das Wasser herauszuschöpfen. Er hatte sich einen dicken Pullover und eine Seemannsjacke übergezogen, um sich vor der Kälte der Nacht zu schützen. Ein Nachtglas hing um seinen Hals. Eines der Aquamobile lag hinter ihm im Bug.
Mallory saß im Heck. Er trug einen schwarzen Gummitauchanzug und hatte sich die Aqualunge auf den Rücken geschnallt.
Eine Gegenströmung erfaßte das Boot und trieb es auf die Klippen zu. Mallory schaltete den Außenbordmotor an und steuerte gegen. Er warf einen Blick auf das Leuchtzifferblatt seiner Armbanduhr: es war 23.45 Uhr. Der Himmel war fast wolkenlos, die Sterne funkelten, und das Mondlicht tanzte auf den Wellen und hinterließ dabei eine Silberspur. Das Boot wurde von einer breiten Woge hochgehoben und auf den Felsfinger zugetrieben, der die westliche Spitze der Insel bildete. Mallory gab etwas mehr Gas; einen Augenblick lang schien das Boot stillzustehen, ehe es wieder vorwärts brauste.
Sie umfuhren die Spitze und kämpften gegen die widrigen Strömungen. Guyon fluchte ständig, als Wasser in das Boot schwappte. Doch allmählich gelangten sie in ruhigere Gewässer. In einiger Entfernung ragten St. Pierre und das Schloß mit seinen gotischen Türmen dunkel gegen den Himmel auf.
Mallory drosselte den Motor und ließ das Boot im Leerlauf weitergleiten. Das große Riff, das zwischen den
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