Zorn: Thriller (German Edition)
wieder Leben in Arto Söderstedts Körper zurück. Irgendetwas in seinem Inneren überwand die vollkommene Unbeweglichkeit. Ein winziger Funke Leben, der wie aus dem Nichts kam. Söderstedt gelang es, die Konzentration jeglicher noch verbleibender Energie auf einen einzigen Körperteil zu richten. Seine Hand.
Er hob seine durch den Tritt lädierte rechte Hand hoch und packte Larssons Handgelenk. Dabei verspürte er keinerlei Schmerz. Das Messer verharrte ein paar Zentimeter tief in Ivanovas Körper. Larsson drückte fester, während Söderstedt dagegenhielt. Es gelang ihm, all die Kraft, die noch in seinem Körper steckte, in seiner kaputten rechten Hand zu bündeln. Und dann gelang es ihm, auch die linke Hand hochzuheben. Larsson drückte das Messer noch stärker in Ivanovas Körper, und es drang einen weiteren Zentimeter in sie ein. Jetzt begann Blut zu fließen.
Es war eine wahnwitzige Situation. Söderstedt hielt buchstäblich das Leben von Marina Ivanova in seinen Händen. Er sah sich selbst wie über einem Abgrund. Mit seinen verkrampften Händen hielt er etwas fest, das ihm jeden Moment durch die Finger zu rinnen drohte.
Ein Menschenleben.
Larsson drückte erneut stärker zu, Söderstedt hielt dagegen. Er hielt für Ivanovas Leben dagegen, für sein eigenes Leben, für jegliches Leben im Universum. Das Messer durfte das Herz nicht erreichen.
Auf keinen Fall.
Schließlich spürte er, wie Larsson nachließ. Wie das Messer aus dem Körper herausglitt. Und er tatsächlich gesiegt hatte. Mit einer letzten wahnsinnigen Kraftanstrengung riss er das Messer aus Larssons Hand. Die Bewegung ließ seinen bewegungsunfähigen Körper vom Bett rutschen. Er schob das Messer unter seinen Oberkörper und bedeckte es mit seiner lahmgelegten Muskelmasse. Da sah er Larsson nach der bizarren Zange mit dem Gebiss greifen. Während das Blut aus der Wunde in Ivanovas Oberkörper spritzte, riss Larsson ihr die Jacke vom Leib und entblößte ihre Schulter. Die Zange mit dem Gebiss löste ohne Probleme ein Stück Fleisch aus ihrem rechten Oberarm. Larsson nahm einen gut verschlossenen Behälter aus seiner Tasche – ein Glasgefäß mit Korken –, öffnete ihn rasch und ließ das Fleischstück hineingleiten. Im Behälter lag bereits eine ganze Menge Fleisch.
Danach nahm Viktor Larsson eine Waage aus der Tasche, wog den Behälter und schob ihn zusammen mit der Waage in einen Beutel, den er in seine Tasche legte. Dann wandte er sich Arto Söderstedt zu, der auf dem Fußboden lag.
»Ich will mein Messer zurückhaben«, forderte er.
Söderstedt presste seinen Oberkörper, so gut es ging, gegen den Boden und klemmte das Messer ein. Ganz langsam kehrte wieder Leben in seine gefühllosen Glieder, Zentimeter um Zentimeter.
Larsson beugte sich zu ihm hinunter und begann, an seinen Oberschenkeln zu zerren und zu reißen. Söderstedt presste sie, so fest er konnte, auf den Boden. Zum ersten Mal kam ihm ernsthaft der Gedanke, dass er kurz davor war zu sterben.
Dass es möglicherweise um sein eigenes Leben ging.
Im Augenwinkel sah er, wie die Badezimmertür langsam geöffnet wurde.
Chavez lag auf dem Boden. Die Pistole hielt er nicht gerade stabil in seiner Hand. Dennoch richtete er sie eindeutig auf Viktor Larsson.
Für einen kurzen Augenblick stand die Zeit still. Dann stürzte Viktor Larsson zur Tür hinaus und verschwand.
Chavez schleppte sich zu Söderstedt, der versuchte, ihm etwas zu sagen. Doch beide waren nicht in der Lage zu sprechen. Söderstedt schaute Chavez in die Augen, um ihm etwas klarzumachen. Deutete in eine Richtung. Auf das Bett hinauf. Erst in dem Moment erblickte Chavez Marina Ivanovas blutende Wunde. Er schleppte sich weiter, in ihre Richtung. Erreichte die Bettkante und zog sich hoch. Ein Versuch, ein zweiter, beide misslangen. Er fiel schlaff auf den Boden zurück. Während das Blut weiterhin aus Ivanovas Körper rann.
Mit einer letzten Kraftanstrengung gelang es Chavez, zu Ivanova aufs Bett hochzukommen. Er schob sich bis zu ihrer Wunde vor. Fand nichts, womit er den Blutfluss hätte stoppen können. Und presste seinen Kopf mit aller Kraft, die er aufbieten konnte, gegen die Wunde. Er spürte, wie das Blut in seine Haare gepumpt wurde, und drückte seinen Kopf noch stärker gegen die Verletzung.
Dann wurde er bewusstlos.
Nasino
Stockholm, 26. Mai
Es war Nacht. Sie saßen vollkommen allein im Wartezimmer des Söderkrankenhauses.
Arto Söderstedt betrachtete seine linke Hand und bewegte seine Finger. Wie
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