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Zorn: Thriller (German Edition)

Zorn: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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faszinierend es doch plötzlich war, das Zusammenspiel der kleinen Muskeln an all diesen winzigen Knochen zu beobachten, die seinem kleinsten Befehl gehorchten. Nie wieder würde er seinen Körper als gegeben hinnehmen.
    In Gedanken kehrte er zurück zu dem Fußboden im ehemaligen Gefängnis von Långholmen: Wie er mit seiner lädierten rechten Hand das Handy hervorgezogen hatte und die Finger seiner linken Hand unendlich langsam die Durchwahl des Rettungsdienstes eingetippt hatten, ohne die Polizei zu benachrichtigen. Wie er die ersten Silben nur mit immenser Mühe über die Lippen gebracht hatte.
    Seine linke Hand wanderte zur eingegipsten rechten Hand und blieb dort liegen. Nie war ihm der Schmerz so willkommen gewesen wie dort auf dem Fußboden der Zelle, als es in seinem Körper zu pulsieren begann. Er hätte zwar auch gerne wieder etwas abklingen können, aber selbst jetzt, nach einer soliden Dosis Schmerzmittel, verspürte er Freude über den Schmerz. Darüber, dass sein Körper wieder funktionierte.
    Er warf einen Blick auf die übrigen drei. Eine stark dezimierte Ermittlergruppe. Kerstin Holm wirkte einsam, und Jorge Chavez, der an Sara Svenhagens Schulter lehnte, standen die Haare geradewegs vom Kopf ab wie bei einem Punker.
    »Wir benötigen eigentlich dringend eine Dusche«, sagte Söderstedt gedämpft.
    »Man kann es wohl Herzblut nennen«, entgegnete Chavez ebenso leise.
    »Und doch auch wieder nicht«, meinte Kerstin Holm. »Denn ein Zentimeter hat gefehlt bis zu ihrem Herzen. Wo zum Teufel bleibt nur diese Ärztin?«
    »Ihr wart richtige Helden«, sagte Sara Svenhagen und strich ihrem Mann über die Wange.
    »Allerdings ziemlich einfältige Helden«, merkte Söderstedt an. »Wir hätten das Zimmer vorher auseinandernehmen müssen. Wir hätten ahnen müssen, dass er da gewesen ist und den Raum präpariert hat.«
    »Es gab vieles, was wir hätten tun müssen«, wandte Holm ein. »Aber uns blieb eben nur sehr wenig Zeit. Während er seine Taten neun lange Jahre geplant hat.«
    »Vor allem aber hätten wir uns diesen verdammten Idioten schnappen müssen«, rief Chavez. »Ich hätte ihn erschießen sollen.«
    »Zum Glück hast du es nicht versucht«, entgegnete Söderstedt. »Denn du hättest wahrscheinlich mich getroffen.«
    »Oder Ivanova«, meinte Svenhagen.
    Schweigend sahen sie einander einen Moment an.
    »Was hat euch der Arzt über das Gas sagen können?«, fragte Söderstedt plötzlich und bewegte dabei erneut die Finger seiner linken Hand.
    »Dass es keine Spuren im Körper hinterlassen hat«, antwortete Holm. »Obwohl er zu wissen glaubte, um was es sich handelt. Eine, Zitat, ›temporär paralysierende Substanz‹, offenbar recht neu auf dem Markt.«
    »Von einem verdammten Philosophen ausgeknockt zu werden«, brummte Chavez, griff sich ins verklebte Haar und verzog das Gesicht.
    »Haben wir schon Kontakt zu Den Haag aufgenommen?«, fragte Svenhagen.
    »Ich habe noch gewartet, weil ich wissen wollte, wie es um Ivanova steht«, antwortete Holm. »Verdammt, wie lange das dauert.«
    »Sie hat unglaublich viel Blut verloren«, erklärte Svenhagen und befingerte vorsichtig die Haare ihres Mannes.
    »Die Operation dauert wohl noch an«, mutmaßte Chavez. »Wir müssen Geduld haben.«
    »Ich habe die Geduld mit diesem Aas verloren«, fluchte Söderstedt.
    »Und das weiß er«, bemerkte Holm. »Er rechnet damit. Denn du sollst sein letztes Opfer sein. Er lockt dich an, wie er die anderen zehn angelockt hat. Versuch einfach, cool zu bleiben.«
    »Und welche wird die letzte Gefängnisinsel sein?«, fragte Söderstedt.
    »Eigentlich müsste er an den Ausgangspunkt zurückkehren«, antwortete Holm. »Zum Ursprung. Auf die Insel, auf der seinem Großvater der Arm abgefressen wurde. Auf Dedas Insel.«
    »Und Dedas Insel muss wohl eine russische sein«, vermutete Söderstedt. »Gab es da nicht eine große berüchtigte Gefängnisinsel irgendwo in Sibirien? Die Tschechow Ende des 19. Jahrhunderts besucht hat?«
    »Sachalin«, antwortete Chavez. »Auf ihr gab es jahrzehntelang das weltweit größte Gefangenenlager. Es wurde aber noch vor der Russischen Revolution geschlossen.«
    »Käme denn Sachalin überhaupt infrage?«, erkundigte sich Söderstedt. »Ivanovas Beschreibung klang nicht unbedingt danach, oder?«
    »Nicht ganz«, bestätigte Holm. »Sie sagte etwas wie: ›Es gab dort nichts zu essen, denn irgendetwas ist schiefgegangen. Die Gefangenen haben angefangen, sich gegenseitig

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