Zorn: Thriller (German Edition)
Er war vollkommen kraftlos. Seine Muskeln gehorchten ihm nicht mehr, seine Beine knickten unter seinem Körper ein, und er fiel zu Boden, während er einen raschen Blick auf Chavez warf. Der schien bewusstlos zu sein. Söderstedt wollte rufen, schreien, aber er konnte seine Stimmbänder nicht aktivieren. Er spürte zwar, wie seine Hand krampfartig die Pistole umklammerte, aber mehr spürte er nicht.
Es war ein extrem eigenartiges Gefühl.
Der Laptop fiel vom Waschbecken auf den Fußboden. Der gesprungene Bildschirm landete schräg vor Söderstedts Gesicht. Er sah einen Mann mit einer Tasche über der Schulter und einer Gasmaske über dem Gesicht auf Ivanova zugehen, die immer wieder gehetzte Blicke in Richtung der geschlossenen Badezimmertür warf. Schließlich schrie sie auf. Der Mann mit der Gasmaske sprühte ihr etwas ins Gesicht. Sie fiel haltlos um. Der Mann fing sie auf und legte sie aufs Bett. Dann ging er in Richtung Bad.
Arto Söderstedt sah es, aber er konnte nichts dagegen tun. Er konnte überhaupt nichts tun.
Der Mann riss die Tür auf. Der plötzliche Lichteinfall stach in Arto Söderstedts mittlerweile überempfindlichen Augen. Der Mann trat ihm mit dem Fuß brutal gegen die Hand, sodass die Pistole davonschlitterte. Dann zerrte er Söderstedt mit einem Blick auf den vollkommen weggetretenen Chavez aus dem Bad und knallte die Tür zu.
Die Ohnmacht, die Arto Söderstedt in diesem Moment verspürte, war unerträglich. Als der Mann ihn neben Marina Ivanova aufs Bett hievte, spürte er seinen Körper überhaupt nicht mehr.
Der mit der Gasmaske ausgerüstete Mann hielt ein kleines Teststäbchen in die Luft und las es ab. Dann zog er die Gasmaske vom Gesicht.
Viktor Larsson sagte: »Mit Feuermeldern muss man aufpassen.«
Söderstedt sah ihn an. Was konnte er sonst tun? Dann gelang es ihm, sein Gesicht Marina Ivanova zuzudrehen. In ihren Augen flackerte das blanke Entsetzen, während ihr Körper ebenso unbeweglich wie sein eigener zu sein schien.
Viktor Larsson näherte sich ihr und sagte: »Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich geliebt habe, Marina? Aber als ich dich im Pausenraum diesen Jubeltanz habe aufführen sehen, als das World Trade Center einstürzte, habe ich begriffen, wer du eigentlich bist. Dass du mich dann auf so üble Weise mit diesem Monster Didde betrogen hast, war eher eine logische Folge, die deinem Charakter entspricht. Du durftest neun Jahre länger leben, als ich es eigentlich vorgesehen hatte. Aber jetzt bist du dran.«
Larsson öffnete seine Tasche und zog ein Messer mit einer breiten Klinge heraus und einen bizarren Greifarm mit einer messerscharfen Klappvorrichtung an einem Ende. Wie ein Gebiss an einer Zange. Er legte die Werkzeuge zwischen Söderstedt und Ivanova aufs Bett.
»Es ist ungewöhnlich, dass ich so viel Zeit habe«, meinte er. »Normalerweise ist das Ganze etwas riskanter.«
Dann nahm er das Messer in die Hand und befühlte leicht die Klinge. Seine Hände waren sehr feingliedrig und wirkten nahezu weiblich.
Er fuhr fort: »An Ihrer Stelle würde ich mir von den Kollegen im anderen Zimmer nicht allzu viel erhoffen. Sie haben auch dieses spezielle Gas eingeatmet. Ich habe es neulich entdeckt. Es ist ziemlich wirkungsvoll; ich habe es an mir selbst getestet. Und machen Sie sich keine Sorgen, mein Polizeikommissar, der unangenehme Effekt geht bald vorüber. Man glaubt es zwar nicht, wenn man so ohne jegliche Körperkontrolle daliegt, aber in ein paar Minuten ist alles wieder vorbei.«
Viktor Larsson nahm einen kleinen zusammengerollten Zettel aus der Tasche und ging auf den Türrahmen neben der Badezimmertür zu. Er schob die Papierrolle in ein kleines vorgebohrtes Loch. Dann kam er zurück zu Marina Ivanova, setzte das Messer auf der linken Seite ihres Oberkörpers an und erklärte: »Jahrelang habe ich deine Vorlesungen über die Revolution mitangehört, Marina, darüber, dass eine gut funktionierende Gesellschaft manchmal Menschenopfer erfordert. Ich habe deine kranke, gefühllose Stimme durch die Hörsäle hallen hören. Sie hat mir Kraft gegeben weiterzumachen. Ich weiß nicht, wie viele unverdorbene Seelen du in der Zwischenzeit hast zerstören können, aber ich war gezwungen, mir dich aufzuheben. Als vorletztes Opfer. Denn Sie, mein Polizeikommissar, werden in jedem Fall mein letztes Opfer sein.«
Dann durchschnitt er mit dem Messer sachte Ivanovas Haut und Muskeln und schob es weiter in Richtung Herz.
Von irgendwoher kehrte in diesem Moment
Weitere Kostenlose Bücher