Zorn: Thriller (German Edition)
University in den USA vor. Mit welchen Projekten hat er sich in Amerika befasst? Nehmt die Hilfe der nationalen Repräsentanten in Anspruch. Fliegt in die USA, wenn ihr es für nötig haltet.«
»Dann bleiben die tschechischen Kommunisten für uns übrig?«, fragte Corine Bouhaddi.
»Gute Idee«, entgegnete Hjelm neutral. »Sifakis, Beyer und Bouhaddi, ihr befasst euch mit den tschechischen Kommunisten. Allerdings nicht ausschließlich. Redet mit Vaceks Kollegen im Europaparlament, sowohl mit Parteifreunden als auch mit seinen Gegnern. Versucht die Person Roman Vacek näher einzugrenzen. Unser Bild von ihm ist noch zu schwammig. Mehrere Jahrzehnte lang war er offenbar in etwas involviert, von dem wir nichts Genaues wissen, dem wir jetzt aber auf die Spur kommen können.«
»Jetzt muss ich aber mal etwas sagen«, meldete sich Jutta Beyer zu Wort.
»Bitte«, sagte Hjelm großzügig.
»Einer der weltweit führenden Genforscher und einer der weltweit führenden Ärzte für plastische Chirurgie werden im Laufe von ein paar Tagen ermordet, und beide waren in sensiblen EU-Bereichen tätig. Das muss doch zusammenhängen. Wir müssen uns erneut mit Professor Udo Massicottes sogenanntem Selbstmord befassen. Beide Männer waren ungefähr gleich alt, und weite Teile ihrer Vergangenheit liegen im Dunkeln. Ich bin mir sicher, dass wir dort auf irgendwelche Gemeinsamkeiten stoßen.«
»Gut«, sagte Hjelm. »Allerdings wurde der Fall Massicotte von einer nicht namentlich genannten Instanz übernommen.«
»Ich bin überzeugt davon, dass der Chef nicht nur mit dieser besagten, nicht namentlich genannten Instanz sprechen und die Lage überprüfen kann«, sagte Beyer eigensinnig, »sondern dass sich in den hintersten Winkeln der Festplatte des Chefs der besagten, nicht namentlich genannten Instanz auch noch die betreffenden Akten befinden.«
Paul Hjelm starrte Jutta Beyer an. Für einen kurzen Moment war er nahezu glücklich. Dann sagte er: »Wir werden auf diese Sache noch zurückkommen. Aber lasst euch nicht aufhalten, wenn ihr Parallelen zwischen Vacek und Massicotte findet.«
»Führender Arzt für plastische Chirurgie, führender Genforscher, führender Waffenhändler«, sagte Bouhaddi. »Kommt damit nicht auch dieser Albaner aus Stockholm wieder ins Spiel? Isli Vrapi? Der dritte sogenannte weltweit Führende, ermordet in demselben kurzen Zeitraum?«
»Niemand wäre glücklicher als ich, wenn ihr so eine Parallele auftun würdet«, entgegnete Paul Hjelm. »Im Augenblick sehe ich zwar keine Verbindung, aber wie gesagt – solltet ihr auf derartige Entsprechungen stoßen, lasst euch nicht aufhalten.« Dann holte er zu einem Resümee aus: »Um die Situation zusammenzufassen. Neben einem Serienmörder war ein weiterer Mörder aktiv, und in gewisser Weise haben wir das bereits die ganze Zeit über geahnt. Der Fall hat an uns genagt, uns aufgerieben, zermürbt. Die Dinge haben einfach nicht zusammengepasst. Jetzt ist es an der Zeit, alles zusammenzufügen. Also, legt los.«
Und sie legten los.
Johns Hopkins University
Baltimore, 28. Mai
Felipe Navarro hatte sich noch nicht richtig auf Baltimore eingestellt. In seiner Jugend hatte er zwar regelmäßig die Fernsehserie Homicide verfolgt und später dann auch die Nachfolgeversion namens The Wire , die vermutlich die beste Kriminalfilmserie der Welt war, aber seine Abreise war überstürzt gewesen. Sobald er den Namen von Vaceks ehemaligem Chef an der Johns Hopkins University herausgefunden hatte, buchte er ein Flugticket und machte sich auf den Weg nach Schiphol, bevor irgendjemand protestieren konnte. Jetzt war es Nachmittag in einer anderen Zeitzone, und es war ihm noch nicht ganz gelungen, sich selbst wieder einzuholen. Vor allem aber war es ihm noch nicht gelungen, die Eindrücke, die diese hektische Großstadt mit dem enormen sozialen Gefälle bei ihm hinterließ, zu bewältigen. Dort gab es alles, von den geradezu größenwahnsinnigen Monumenten, die der Stadt den Spitznamen Monumental City verliehen hatten, bis zum riesigen verrufenen Hafen und den heruntergekommenen Straßenecken in den westlichen Bereichen der Stadt. Dem Schreibtischbullen Navarro war es während seiner Irrfahrt vom Hotel aus gelungen, so ziemlich alle Gesellschaftsschichten auszumachen, und die Straßenecken, an denen Drogen und Geld reibungslos ihre Besitzer wechselten, hatten zweifellos etwas Geheimnisvolles.
Und dann dieses krasse Gegenteil: das elegante, schlossartige Billings Building aus dem
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