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Zorn: Thriller (German Edition)

Zorn: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Facelifting in der hässlichsten Stadt der Welt«, behauptete Söderstedt galant, während er sich das Jackett überzog und auf die Tür zuging.
    »Müssen wir nicht erst den Chef fragen?«, wandte Jutta Beyer ein.
    Arto Söderstedt erstarrte. Beyer holte ihn ein und warf ihm einen erstaunten Blick zu. Er beugte sich zu ihr vor und sagte mit Nachdruck: »Wenn du, Jutta Beyer, mich jemals den Chef fragen siehst, dann versprich mir, mich direkt ins Jenseits zu befördern.«

Insel II
Ligurisches Meer, 10. Mai
    Heute scheint alles genau das Gegenteil von damals zu sein. Die Sonne, die Wellen. Das aufspritzende Meerwasser. Alles wirkt belebend. Auch die Delfine. Diese kitschigen Symbole der Lebensfreude. Sie folgen dem Schiff.
    Wenn man jetzt die Hand ausstreckte, würde man sie berühren können. Ihre kalte glatte Haut. Man bildet sich ein zu wissen, wie sie sich anfühlen, aber bevor man sie nicht tatsächlich berührt hat, weiß man es nicht.
    Die ausgestreckte Hand. Geradewegs über die Reling gehalten. Sie scheint kurz zu verharren, dann kommt der Sprung. Die Präzision dieser gewaltigen spulenförmigen Körper. Wie ihre Haut die Fingerspitzen nur flüchtig berührt, und dann sind sie schon wieder verschwunden. Als lebten sie in einer völlig anderen Zeit, in der in einer einzigen Sekunde eine intensive Berührung möglich wäre.
    Doch das Gefühl danach ist ein völlig anderes. Die Kälte an den Fingerspitzen. Als hätte man eine ganz andere Haut berührt. Eine blauere als die des Delfins. Fußhaut. Kalte Fußhaut.
    Das eigenartige Begräbnis.
    Der vererbte Schmerz der Erinnerung, der durch den Kopf schneidet, als sich die Insel aus der mittelmeerblauen Wasseroberfläche erhebt. Als würde sie sich wegen einer plötzlichen Windbö kräuseln.
    Die Kräuselung hält an. Immerhin ist sie es, die die so gegensätzlichen Zustände vereint. Die Brise.
    Es ist die Brise, die Deda weckt, nachdem er die beiden Löcher gegraben hat. Die ihm buchstäblich wieder Leben einhaucht. Er ist so unendlich müde.
    Die ganze Nacht über hat er sich versteckt, alle Sinne angestrengt. In dieser Nacht gab es niemanden, an den er seinen Kopf hätte lehnen können. Keine Mutter-die-sie-hätte-sein-müssen. Keine Faina.
    Es macht auch keinen Sinn, sich an jemanden anzulehnen. Sie sterben ja doch.
    Er ist aus dem Pappelhain getaumelt, als die Morgendämmerung einsetzte und die Leute sich zu bewegen begannen. Diejenigen, die es noch konnten. Dort fühlte er sich etwas sicherer.
    Keiner, der ihn fressen würde.
    Deda erwacht davon, dass die Brise seine Haut streichelt. Er starrt geradewegs hinunter in die beiden Löcher wie in ausdruckslose Augen. Er ist eingeschlafen, während er sie gegraben hat, während er mit seinen bloßen Händen Löcher bis tief hinunter in den tiefgefrorenen sumpfigen Boden gescharrt hat. Er ist über die Löcher gebeugt eingeschlafen.
    Mit einer Hand auf der Haut.
    Auf der kalten Haut der Füße.
    Würdevoll senkt er Fainas blaue Füße in die beiden Gräber hinab. Wo sich der Rest von ihr befindet, daran mag er gar nicht denken. Das liegt jenseits seines Vorstellungsvermögens, obwohl sich dieses innerhalb der vergangenen Wochen brutal erweitert hat. Auf diese unwiederbringliche Art und Weise ausgedehnt hat. Unwiederbringlich, weshalb nichts jemals wieder so werden kann, wie es einmal war.
    Dennoch muss er daran denken. So, wie man immer genau an das denken muss, woran man nicht denken möchte. Vor seinem inneren Auge sieht er Fleischbrocken, einen Schädel, abgenagte Skelettteile.
    Als er sich übergeben muss, kommt nichts, was er erbrechen könnte.
    Deda würgt eine Weile. Sein Körper wird von Krämpfen geschüttelt, während er die tiefgefrorenen Sumpfklumpen in die Löcher hinunterschaufelt und danach den Boden glatt klopft. Dann spricht er ein Gebet. Er weiß zwar nicht, zu wem, doch das Gebet handelt davon, zum zweiten Mal eine Mutter zu verlieren .
    Er steht auf. Er ist zehn Jahre alt und versucht sich einen Überblick über all das zu verschaffen, was er nicht versteht. Kann man das Unbegreifliche verstehen?
    Deda beobachtet all die Menschen, die an der Schwelle des Todes entlangstolpern und dieses ewige Wimmern von sich geben, dem man weder Tag noch Nacht für wenigstens eine Minute entfliehen kann. Er beobachtet sie und fragt sich, was sie eigentlich hier machen. Warum hat man sie hergebracht? Wessen Leben profitiert davon, dass Tausende Großstädter auf einer vom Wind gepeinigten Hölleninsel in

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