Zorn: Thriller (German Edition)
Morgenspaziergang durch Barcelona wird der Neurologe Juan Flores-Domingo am 4. März mittels eines »Multigifts« ermordet. Nun ist allen Beteiligten klar, dass das Töten weitergeht. Als der Auftraggeber bereits am folgenden Tag, dem 5. März, Kontakt zu unserer Organisation aufnimmt, beginnen wir mit unseren Nachforschungen. – Ein erster Bericht erreicht den Auftraggeber am 21. März.
Wir kommen mit der Arbeit zügig voran, aber nicht zügig genug. Denn jetzt geht es Schlag auf Schlag. Am 8. Mai tötet W Professor Udo Massicotte in seinem Haus in Charleroi und tarnt die Tat als Selbstmord (vielleicht, um die noch verbleibenden Personen nicht in Panik zu versetzen). Bereits am 11. Mai trifft es Lars-Erik Dahlberg in seiner Stammkneipe in Stockholm. Dann wird Roman Vacek auf der italienischen Insel Capraia am 14. Mai ermordet. Innerhalb von einer Woche drei Tote. (Außerdem wird der unserer Organisation gut bekannte Waffenhändler Isli Vrapi erschossen, den wir allerdings bisher nirgendwo in der Gleichung unterbringen können.)
Zum aktuellen Zeitpunkt sind nur noch zwei der ursprünglich elf Mitglieder der Sektion am Leben. W scheint sich das Beste bis zum Schluss aufgehoben zu haben. Zu diesem Zeitpunkt dürfte er definitiv wissen, dass sein ehemaliger Wohltäter, Pierre Rigaudeau, ebenfalls der Sektion angehörte und noch dazu zu seinem Überwacher auserkoren wurde. Wir werden nun einiges daransetzen, Rigaudeau zu finden.
Vermutlich hat W sich den Chef der Sektion bis zum Schluss aufgehoben. Und der Chef der Sektion ist unser Auftraggeber. Das sind Sie, Michael Dworzak.
Wir vermuten, dass Sie an weiteren Nachforschungen interessiert sind. Dürfen wir Ihnen als zusätzliche Leistung umfassenden Personenschutz anbieten?
Höchste Geheimhaltungsstufe
Paris – Den Haag, 30. Mai
»Meine Güte«, rief Corine Bouhaddi aus. »Wir lagen gar nicht so falsch.«
»Nein«, entgegnete Paul Hjelm und spürte, wie ihm die Stimme versagte. Und zwar nicht nur deswegen, weil es schon lange her war, dass er einen so umfangreichen Text laut vorgelesen hatte.
Das milde, nahezu sakrale Licht drang durch die hintereinanderliegenden Räume. In etwas bizarrer Weise erinnerte Hjelm diese Reihe zusammengelegter Studentenzimmer an Goethes Haus in Weimar, eine Tür nach der anderen. Auch hier hatte die Flamme der Kreativität hell und selbstverzehrend gebrannt. Und nun lag es dort, das Chemiegenie, tiefgefroren und totenstarr.
»Elf Personen«, sagte Bouhaddi. »Und nur noch eine einzige lebt.«
»Wenn es denn stimmt«, entgegnete Hjelm.
»Wie meinst du das?«
»Diese vier Berichte sind irgendwie seltsame Dokumente. Wer hat sie verfasst? Und um was für eine sonderbare Organisation handelt es sich, die behauptet, in dem Fall zu ermitteln?«
»Und warum hat jemand diese Berichte Rigaudeau in den Mund gestopft?«, ergänzte Bouhaddi.
»Eine Möglichkeit könnte sein, dass W in irgendeiner Form an sie herankam und sie seinem Mordopfer als Botschaft an diese Organisation in den Mund schob«, mutmaßte Hjelm.
»Eine Botschaft, die besagt, dass er ihnen die ganze Zeit über einen Schritt voraus ist«, fügte Bouhaddi hinzu.
Hjelm nickte und tippte eine Nummer in sein Handy. Dann sagte er nur zwei Dinge: »Angelos, schick uns die Kriminaltechniker. Und starte eine groß angelegte Suche nach einem Michael Dworzak, er war vermutlich der Chef der Sektion.«
Hjelm beendete das Gespräch und wandte sich wieder Bouhaddi zu.
»In zehn Minuten trifft hier ein französisches Technikerteam ein«, erklärte er. »Was müssen wir vorher noch erledigen?«
»Der vierte und letzte Bericht ist auf den 24. Mai datiert«, entgegnete Bouhaddi. »Der war vor einer knappen Woche. Andererseits kann Rigaudeau auch schon ziemlich lange in diesem Gefrierschrank gestanden haben.«
»Das ist möglich«, bestätigte Hjelm. »Kannst du sämtliche Seiten der Berichte abfotografieren? Denn wir müssen sie den Technikern überlassen. Aber ihren Inhalt brauchen wir.«
Bouhaddi nickte und schritt zu Werke.
Hjelm sprach weiter: »Jetzt muss es verdammt schnell gehen. Der Chef der Sektion heißt also Michael Dworzak. Als Allererstes müssen wir ihn ausfindig machen. Und außerdem müssen wir weiter darüber nachdenken, wer diese Berichte verfasst hat.«
»Eine Organisation, die ›gut bekannt‹ ist mit Isli Vrapi«, erklärte Bouhaddi und fotografierte weiter mit ihrem Handy.
»Sorg dafür, dass alles lesbar ist«, forderte Hjelm sie auf.
»Gut, dass du
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