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Zorn: Thriller (German Edition)

Zorn: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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alles verstaubt?«, fragte Hjelm.
    »Außer an einem Ort«, antwortete Beyer. »Ein kleiner Raum im Keller war extrem sauber.«
    »Irgendetwas ging in diesem Raum vor«, erklärte Söderstedt. »Irgendetwas Entscheidendes. Nirgends ein Staubkorn, keinerlei DNA. Wenn wir von der These ausgehen, dass Massicotte von Profis ermordet wurde, die dafür sorgten, dass alle Räume um die Putzkammer herum, in der er erhängt wurde – Arbeitszimmer, Küche, Schlafzimmer –, genauso aussahen wie immer, warum sollten sie dann einen abgelegenen und vollkommen leeren Raum im Keller reinigen?«
    »Und wie lautet deine Antwort?«, fragte Hjelm.
    »Meine vorläufige Antwort lautet«, erwiderte Söderstedt betont und setzte sich auf seinem Stuhl zurecht, »dass unser guter Udo in diesem Raum ermordet wurde. Daraufhin wurde seine Leiche ins Ankleidezimmer verfrachtet und aufgehängt. Und alles wieder in den Normalzustand versetzt.«
    »Aber wir haben noch keine DNA aus diesem Raum«, wandte Hjelm ein. »Und wir haben eine Leiche, bei der keinerlei Anzeichen auf etwas anderes hindeuten als auf Erhängen mittels eines kurzen Stricks.«
    »Fordere eine eingehendere Untersuchung des Raumes an«, schlug Söderstedt vor. »Und der Leiche. Wir werden schon etwas finden.«
    Paul Hjelm betrachtete Arto Söderstedt eine Weile. Dann nickte er und erwiderte: »Ich werde dafür sorgen. Dann wenden wir uns jetzt der Frage nach Massicottes sonstigem Berufsleben zu. Hast du diesbezüglich etwas herausgefunden, Angelos?«
    Angelos Sifakis räusperte sich und hob zu einer Vorlesung an, die Arto Söderstedt vor Neid erblassen ließ: »Die moderne plastische Chirurgie wurde im kriegerischen 16. Jahrhundert von dem Italiener Gaspare Tagliacozzi erfunden. Während alle möglichen Körperteile über die bluttriefende Erde verstreut wurden, versuchte Tagliacozzi, sie zu ersetzen. Danach passierte erst einmal nicht viel, bis zum Ersten Weltkrieg, in dessen Verlauf schließlich eine neue Art von Verletzungen, nämlich schwere Schuss- und Splitterwunden, die Gesichter in ganz Europa entstellten. Um durch Schusswunden verletzte Physiognomien wiederherzustellen, wurden eine wachsende Anzahl von Kliniken für plastische Chirurgie errichtet. Als man über das Wiederherstellen von Körperfunktionen hinaus den Bedarf an Rekonstruktionen des Äußeren erkannte, war dies die Geburtsstunde der ästhetischen Chirurgie. Ihre große Blütezeit als eigenständige wissenschaftliche Disziplin hatte sie innerhalb der fünfzig Jahre von 1930 bis 1980. Udo Massicotte wurde 1944 geboren und schloss seine medizinische Ausbildung als Spezialist der plastischen Chirurgie 1972 in Turin ab. Er nahm an mehreren internationalen Projekten teil und etablierte sich, als die plastische Chirurgie ihre radikalste Entwicklung erlebte, als einer der bedeutendsten Spezialisten für plastische Chirurgie weltweit. Da er sich danach der rein ästhetischen Chirurgie zuwandte, nahm sein Prestige in Forscherkreisen ab, während sein Bankkonto umgekehrt proportional anwuchs. Er arbeitete bis Ende der Siebzigerjahre in seiner Heimat Italien, doch seit Beginn der Achtzigerjahre reiste er regelmäßig vor allem nach Brasilien und Thailand. Das stark zunehmende Interesse an der plastischen Chirurgie in diesen beiden Ländern ist wohl ihm zuzuschreiben. Danach nahm er sich Osteuropas an und trug dazu bei, dass sich der Medizintourismus etablierte und die Leute bis heute beispielsweise nach Belgrad, Novi Sad, Prag, Budapest und Zagreb reisen, weil plastische Chirurgie dort billiger ist. Als er zu alt wurde, um selbst weiterhin zu operieren, ging er nicht in Rente, wie man vielleicht hätte erwarten können, sondern kehrte zurück in die Forschung und leitete eine dritte Phase seiner Karriere ein, indem er Chef der Forschungsgruppe in Straßburg wurde.«
    Paul Hjelm beugte sich über sein Katheder vor und sagte: »Wäre es sehr vorurteilbehaftet, anzunehmen, dass die Hauptmeriten von Professor Udo Massicotte bei seiner Bewerbung um diese hoch geschätzte Position darin bestanden, bereits zahlreiche Terroristen einer chiroplastischen Operation unterzogen zu haben, weshalb er auf genau diesem Gebiet als Experte anzusehen war?«
    »Wie alkoholisiert er auch immer gewesen sein mag.« Jutta Beyer nickte eifrig.
    »Wir wissen ja, dass plastische Chirurgen im ehemaligen Jugoslawien unmittelbar nach dem Bürgerkrieg alle Hände voll zu tun hatten«, warf Marek Kowalewski ein. »Und klar ist auch: Wenn Massicotte

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