Zorn: Thriller (German Edition)
worden wäre. Aber dann haben wir einen Geistesblitz gehabt.«
»Geistesblitze werden prämiert«, sagte Hjelm mit unverhohlener Neugier.
»Bei einem solchen Projekt muss es logischerweise irgendwelche Versuchskaninchen geben«, erläuterte Balodis. »Sie können nicht nur rein theoretisch arbeiten, wie die Gruppe in Straßburg versucht hat, uns weiszumachen.«
»Sie müssen schlicht und einfach mit echten Menschen arbeiten, die sich einer chiroplastischen Operation unterzogen haben«, ergänzte Hershey. »Gegebenenfalls auch mit Terroristen.«
»Als wir weiter nachgehakt haben, kam heraus, dass die Methode in der Tat unter Einbeziehung von zwölf inhaftierten Terroristen entwickelt wird, die sich einer chiroplastischen Operation unterzogen haben. Sie nehmen im Gefängnis Schädelmessungen vor, röntgen die Terroristen, entnehmen diverse Proben, führen Computertomografien durch und experimentieren an ihnen herum.«
»Die Gefangenen sitzen in Gefängnissen in ganz Europa ein«, fuhr Hershey fort. »Ein großer Teil der Zeit der Gruppe wird von den Reisen zu Gefängnissen beansprucht.«
»Und«, warf Balodis mit Nachdruck ein, »wir besitzen eine Liste von diesen zwölf Terroristen. Die Hälfte von ihnen sind Islamisten, die andere westeuropäische Rechtsextremisten.«
»Und es ist auffällig, wie stark sie einander ähneln«, betonte Hershey.
»Aha«, sagte Hjelm neutral, »wir haben also eine Liste mit Terroristen, die höchstwahrscheinlich wissen, womit sich unsere Forscher befassen. Und die vermutlich gewisse Möglichkeiten haben, sich mittels ihrer jeweiligen Gruppierungen mitzuteilen. Ist diese Liste schon unter die Lupe genommen worden?«
»Die Untersuchungen laufen«, antwortete Balodis. »Aber ich glaube, dass sich darunter mindestens eine islamistische Organisation befindet, die interessant klingt.«
»Aber hätte eine islamistische Organisation Massicotte nicht eher in die Luft gesprengt?«, fragte Marek Kowalewski. »Minutiös einen Selbstmord vorzutäuschen klingt nicht gerade nach al-Qaida.«
»Miriam und Laima verfolgen die Spur auf jeden Fall weiter«, ordnete Hjelm an. »Gute Arbeit, meine Damen.«
»Dann bleibt nur noch der Chef übrig«, sagte Navarro und heftete seinen Blick auf denselben.
»Von meiner Seite gibt es nicht viel zu sagen«, erklärte Hjelm ruhig. »Heute haben wir Mittwoch, den zwölften Mai. Wenn wir im Laufe dieser Woche keinen Verdächtigen festnehmen, will man unser gesamtes Ermittlungsmaterial spätestens am Montag, den siebzehnten, vorliegen haben.«
»Man?«, rief Kowalewski aus.
»Die Führungsetage von Europol«, antwortete Hjelm.
»Die die Ermittlungen an wen weitergibt?«
Hjelm verzog leicht das Gesicht und antwortete: »Das ist alles, was ihr wissen müsst. Ich bin der Meinung, dass wir heute ein ganzes Stück vorangekommen sind, denn wir haben viele lose Fäden aufgetan, an denen wir ziehen können. Also, ab mit euch, legt los. Und zwar umgehend.«
Wirtshaus
Stockholm, 12. Mai
Sie waren zu dritt und schlenderten durch lange Gefängniskorridore. Sie spazierten hin und her, durchquerten ein Stockwerk nach dem anderen. Zwar waren die Zellen renoviert und umgestaltet worden, dennoch war die Tatsache nicht zu leugnen, dass das Gebäude jahrhundertelang ein Gefängnis gewesen war. Es haftete gewissermaßen den Wänden an.
Ein Gefängnis auf einer Gefängnisinsel.
Der ältere Mann warf hin und wieder einen Blick auf die jüngere Frau und den noch jüngeren Mann, doch sein Erstaunen stieß nicht so recht auf Interesse. Schließlich konnte er nicht umhin zu fragen: »Was mache ich eigentlich hier?«
»Wir müssen dich vernehmen, das weißt du doch«, antwortete die Frau.
»Es schien uns angemessen, dies nicht direkt im nächsten Polizeigebäude zu tun«, fügte der Mann hinzu.
»In diesem alten Gefängnis?«, fragte der ältere Mann erbost.
»Wenn du noch ein einziges Mal aufmuckst, müssen wir dich leider festnehmen«, antwortete der jüngere Mann.
»Außerdem haben sie noch nicht geöffnet«, erklärte die Frau mit einem Blick auf ihr Handgelenk. »Wir haben noch ein paar Minuten Zeit.«
»Richtig zähe Minuten«, fügte der jüngere Mann hinzu.
Dann schwiegen sie wieder eine Weile. Die Gitter legten sich wieder über die Gefängnistüren. Die Temperatur sank. Schreie der Todesangst hallten durch die jahrhundertealten Korridore.
»Gut«, sagte die Frau schließlich, »wir gehen jetzt runter.«
Woraufhin sie die schweren ausgetretenen
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