Zorn: Thriller (German Edition)
auf der Insel wollte?«, fragte Hjelm.
»Nein«, antwortete Mlakar. »Nichts.«
»Was kannst du uns über die Insel sagen?«
»Unter General Tito war sie ein berüchtigter Ort. Hier landete man, wenn man umerzogen werden sollte. Man lernte, angepasst zu denken, auf die harte Tour. Ganz Jugoslawien kannte Goli otok. Man kann es wohl ein ehemaliges Konzentrationslager nennen. Das Gefängnis wurde 1988 geschlossen, seit 1990 ist die Insel unbewohnt. Erst in späteren Jahren wurde sie zum Ausflugsziel für Touristen.«
»Danke«, sagte Paul Hjelm. »Glaubst du, dass die Möglichkeit besteht, die Leiche auf eine Einstichwunde hin zu untersuchen, höchstwahrscheinlich an der Schulter?«
»Wir werden es versuchen«, antwortete Miladin Mlakar und nickte seinem Kameramann zu. »Gebt uns ein paar Minuten.«
»Einen Augenblick bitte«, hallte eine laute Stimme durch die Kathedrale.
»Ja?«, fragte Mlakar erstaunt.
»Eine Sache noch«, fuhr Arto Söderstedt mit einem Blick auf die frenetisch auf die Tastatur eintippende Jutta Beyer fort. »Ich würde dich bitten, nach einer weiteren Sache zu suchen, Miladin. Nach einem zusammengerollten Zettel mit französischem Text. Höchstwahrscheinlich wurde er in irgendeinen Hohlraum in der Gefängnismauer geschoben. Eine kleine Rolle von ein paar Zentimetern Länge.«
»Aha«, antwortete Miladin Mlakar und wirkte ein wenig überrascht. »Okay?«
»Ausgezeichnet. Mein Name ist übrigens Arto Söderstedt.«
»Aha«, sagte Mlakar, nun etwas verständnisvoller. »Das erklärt einiges.«
Damit verschwand er in einem aufblitzenden blauen Licht.
»Wie, das erklärt einiges?«, brummelte Arto Söderstedt.
»Was hast du noch einmal gesagt, Jutta, als mein Handy klingelte?«, fragte Paul Hjelm, ohne Söderstedt eines Blickes zu würdigen.
Jutta Beyer schaute mit abwesendem Blick von ihrem Laptop auf. »Wie bitte?«, fragte sie zurück. »Sorry, ich bin gerade mit Rudi Schrempf beschäftigt.«
»Du hast schon gehört, was ich gesagt habe«, entgegnete Hjelm. »Du willst dich nur wichtig machen.«
»Ich habe gefragt: ›Geht es im Grafen von Monte Christo nicht um eine Gefängnisinsel?‹«, antwortete Beyer mit Nachdruck.
»Haben wir nicht in diesem Augenblick unseren fehlenden Parameter bekommen?«, fragte Hjelm mit einem anerkennenden Blick auf Beyer. »Es scheint, als hätten mehrere von euch recht. Fünf Tage Planung in einem Hotelzimmer auf Capraia gipfelten in zwei Morden innerhalb weniger Tage. Haben wir es möglicherweise mit einem Serienmörder zu tun, der auf Gefängnisinseln mordet? Erst in der ehemaligen Gefangenenkolonie auf Capraia und jetzt auf Goli otok, dem ehemaligen Konzentrationslager Titos. Auf beiden Inseln lebten früher Gefangene, und das will unser Mörder jetzt unbedingt kundtun. Angelos, füge ›Gefängnisinseln‹ in die Suche ein.«
»Wird gemacht«, antwortete Angelos Sifakis, mit den Fingern über die Tastatur gleitend.
»Um was genau geht es also hier?«, fragte Hjelm geradeheraus.
In der Kathedrale herrschte eine gewisse Zurückhaltung. Es war nicht leicht, die Einzelheiten zusammenzubringen.
Schließlich antwortete Miriam Hershey: »Um Rache.«
»Ich bin geneigt zuzustimmen«, sagte Marek Kowalewski. »Aber es ist nicht nur Rache. Es geht um historische Rache. Eher um generelle als um persönliche Rache. Die Taten erscheinen mir in gewisser Weise politisch.«
»Und somit terroristisch?«, fragte Hjelm.
Kowalewski zuckte mit den Achseln und schüttelte den Kopf. Gleichzeitig.
»Zuerst müssen wir wissen, wer das aktuelle Opfer Rudi Schrempf war«, fuhr Paul Hjelm fort. »Hast du schon etwas herausgefunden, Jutta?«
»In der Tat«, antwortete Jutta Beyer. »Angelos, hast du mich mit der Leinwand verbunden?«
Sifakis klickte seinen Computer an und sagte dann: »Jetzt. Bitte.«
Auf der Leinwand tauchte das Foto eines schmächtigen Mannes um die sechzig auf. Er lächelte in die Kamera.
»Rudi Schrempf«, stellte ihn Jutta Beyer vor. »Geboren 1945 in Frankfurt. Nahm als Student an der Achtundsechzigerbewegung teil und sympathisierte mit der berühmten Frankfurter Schule. Wurde Journalist und schrieb für linksgerichtete Zeitschriften wie Agit 883 in Berlin und konkret in Hamburg. Dann Tagespresse, Fernsehen, wieder Tagespresse, schließlich Bild -Zeitung. Schrempf blieb dann beim Springer-Konzern und war bis zu seinem Tod als Ressortleiter beim Hamburger Abendblatt tätig. Verheiratet, erwachsene Kinder, wohnhaft in Hamburg.«
»Das
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