Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
Vom Netzwerk:
geschieht. Du hättest ihre Augen sehen sollen, Claudius. Ich hab das getan, um mein Kind zu schützen.«
    Zorn schüttelte den Kopf. »Trotzdem, du hättest andere Möglichkeiten gehabt. Es gibt immer eine Alternative. Wir leben doch nicht in der Steinzeit, Henning!« Er hob die Stimme. »Nichts auf der Welt gab dir das Recht, diese Frau zu überfallen und einfach in Streifen zu schneiden wie einen gottverdammten Thunfisch!«
    Mahler sprang auf und packte Zorn am Kragen. Sein Gesicht war weiß, er bebte vor Wut.
    »Erzähl mir nicht, was ich getan habe! Das weiß ich selbst am besten!« Er hob die Faust. »Herrgott, am liebsten würde ich dir dieses selbstgerechte Grinsen aus dem Gesicht schlagen! Was bildest du dir ein, Claudius Zorn? Was? Sieh dich doch an! Du suhlst dich in deiner moralischen Überlegenheit und hast doch keine Ahnung, wovon du redest! Ich will dich sehen, wenn du vor einer solchen Entscheidung stehst: das Leben deines Kindes gegen das einer Fremden! Ach, das hab ich vergessen, du hast ja keine Kinder, es gibt nicht einmal jemanden, den du liebst! Aber könntest du es dir vorstellen in deinem kleinen Beamtenschädel? Was würdest du tun? Wo dir doch nichts wichtiger ist als der eigene Arsch? Sag’s mir!« Mahlers Stimme überschlug sich, Speichel spritzte Zorn ins Gesicht. »Sag’s mir, du selbstgerechter Wichser!«
    Mahler weinte. Die Tränen hinterließen helle Spuren auf seinem schmutzigen, unrasierten Gesicht.
    Zorn schwieg einen Moment, dann sagte er leise: »Setz dich, Henning. Es bringt nichts, wenn du mich beschimpfst. Du musst allein damit zurechtkommen.«
    Mahler sackte buchstäblich in sich zusammen. Als er weiterredete, klang es, als glaube er selbst nicht, was er da erzählte.
    »Als dann auch Clara tot war, da wollte ich mich umbringen. Aber ich habe mich nicht getraut. Ich weiß nicht, wie oft ich daran gedacht habe, mich zu stellen. Einmal war ich schon auf dem Weg zu euch, ich stand vor dem Präsidium. Auch da war ich zu feige. Ich bin nach Hause gegangen und habe gewartet, dass ihr mich holt. Aber ihr seid nicht gekommen. Dann habe ich dir den Film gemailt. Warum, weiß ich nicht genau, wahrscheinlich wollte ich, dass ihr mich endlich findet.«
    Zorn zitterte jetzt am ganzen Körper. Die nassen Kleider klebten am Leib. Im Inneren des Gasometers war es windstill, trotzdem fror er erbärmlich. »Du hast getan, was er verlangt hat. Warum hat er Ella trotzdem entführt?«
    »Weil er wollte, dass ich Philipp Sauer auch noch töte.«
    »Was?«
    Hoch über ihnen donnerte ein Flugzeug vorbei. Eine Verkehrsmaschine, die zum Landeanflug auf dem nahe gelegenen Flugplatz ansetzte. Die Positionslichter flackerten auf, dann war es verschwunden.
    Stapic verdrehte vorsichtig die Handgelenke und prüfte, wie fest seine Fesseln saßen.
    Es klingt logisch, dachte Zorn. Sauer hat in Stapics Augen versagt. Er hat nicht verhindert, dass wir Sigrun Boschs Identität herausfinden.
    Er blies sich in die klammen Hände. »Und? Hast du es getan, Henning?«
    Mahler lachte auf. Es klang, als würde ein rostiges Blech zu Boden fallen. »Nein, ich habe mich geweigert. Schließlich hatte ich schon zwei Menschen auf dem Gewissen. Ich denke, das reicht.« Mit einem Nicken wies er auf Stapic. »Er hat es selbst erledigt.«
    »Und Ella aus dem Krankenhaus entführt?«
    »Ja. Er mag es nicht, wenn man sich ihm widersetzt.«
    »Und du hast die Bar in die Luft gesprengt?«
    »Weil ich ihm zeigen wollte, dass ich nicht alles mit mir machen lasse.«
    Zorn dachte an Malina. »Ist dir eigentlich klar, dass du auch andere hättest verletzen können? Oder war dir das egal?«
    »Ich kenne mich mit Sprengstoff aus. Beim Bund habe ich gelernt, wie man mit Bomben umgeht. Außerdem wusste ich, dass um diese Zeit niemand außer Stapic in der Nähe der Bar sein würde.«
    Der Kroate kicherte leise, hielt aber die Augen noch immer geschlossen. Mahler gab ihm einen Fußtritt. »Was ist so lustig, Sivo? Tu nicht so, als wärst du ohnmächtig. Ich weiß, dass du uns die ganze Zeit zuhörst. Sieh mich verdammt nochmal an!«
    Der Kroate lächelte Mahler an, als würde er nach langer Zeit einen guten Freund wiedertreffen. »Gratuliere, du hast mich tatsächlich überrumpelt.«
    Er hielt ihm die gefesselten Hände entgegen.
    »Mach mir die ab, Jungchen. Sie tun mir weh. Ich bin alt, lass mich nicht länger auf dem nassen Boden liegen. Ich werde mir noch den Tod holen.«
    »Ja, den wirst du dir holen, Sivo.«
    Es kribbelte in Zorns

Weitere Kostenlose Bücher