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Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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Zahnpastafrau wirklich gut aussah. Und als er später mit dem Fahrstuhl nach unten fuhr, meinte er, zwischen den üblichen Gerüchen einen leichten Hauch von Flieder wahrzunehmen.
    *
    Ungefähr zu der Zeit, als Claudius Zorn sich ein Eisbein mit Sauerkraut bestellte, klingelte am anderen Ende der Stadt das Handy von Staatsanwalt Philipp Sauer. Der lag nackt auf dem Bett und war eben im Begriff gewesen, sich ein Glas Rioja einzugießen. Im Schlafzimmer brannten ein paar Kerzen, es war warm, es roch nach Sex. Sauer war ein wenig erschöpft, aber er fühlte sich gut. Er hatte seinen Gast eben unter die Dusche geschickt.
    Als er das Telefon abnahm, schien die Temperatur im Raum schlagartig zu sinken.
    »Und?«, sagte jene leise Stimme, die Sauer so sehr hasste und zugleich fürchtete. Dieses eine Wort reichte aus, um den selbstsicheren Staatsanwalt in einen Mann mit klebrigen Handflächen zu verwandeln. Sein Magen zog sich zusammen, und er kämpfte gegen den heftigen Drang, die Toilette aufzusuchen.
    »Ich habe alles im Griff«, erwiderte er und hoffte, selbstsicher zu klingen.
    »Gut.«
    Einen Moment lang war nur das Rauschen der Leitung zu hören. Sauer wusste, wie sehr der andere es genoss, Macht über ihn zu haben. Er selbst war schließlich genauso. Doch der Anrufer spielte in einer ganz anderen Liga. Einer Liga, die Sauer mit einer dumpfen, animalischen Angst erfüllte.
    »Was willst du?«, fragte er heiser.
    Ein leises Lachen. »Ich beobachte dich, Jungchen.«
    Sauer zog sich unwillkürlich die Decke über den Körper.
    »Wie meinst du das?«
    »Wie ich es sage. Dass ich dich sehe. Immer. Und überall. Daran musst du denken.« Ein erneutes Lachen. »Vergiss das nicht, wenn du das nächste Mal einen von deinen Strichern fickst.«
    »Ich habe keinen Stricher gef …«
    Doch da war die Leitung schon tot.
    *
    Das
Basement
befand sich im Weinkeller eines Fachwerkhauses in der Nähe des Marktes. Im Laufe der Zeit hatten unterschiedliche Betreiber das mittelalterliche Gewölbe mit wechselndem Erfolg als Disco, Spielhalle und Striplokal genutzt, bis man irgendwann auf die Idee gekommen war, die vorderen Räume als Kneipe herzurichten. Im hinteren Teil war eine Bar, die an den Wochentagen geschlossen blieb. Zorn ging hier regelmäßig essen, in den zahlreichen Nischen fand er immer einen Platz, wo ihn niemand störte. Das Personal war ausgesprochen mürrisch. So beschränkte sich die Konversation auf eine kurze Bestellung, das Essen war reichlich, und Zorn, der alles andere als ein Feinschmecker war und tagsüber so gut wie nichts aß, wurde hier vor allem eines: satt. Und manchmal, wenn er zwei, drei Bier bestellt hatte, auch ein wenig betrunken.
    Er saß an einem Zweiertisch in der hinteren Ecke, neben dem Durchgang zur Bar. Jetzt, am frühen Abend, waren außer ihm höchstens zehn Gäste im Raum. Sie hockten vereinzelt an den kleinen Tischen, von denen jeder mit einer Kunstblume, einer Plastiktischdecke und – in der vergeblichen Hoffnung, so etwas wie rustikalen Charme zu verbreiten – einer Kerze bestückt war. An den grob verputzten Wänden des Kellergewölbes hingen Kupferstiche, auf denen der Marktplatz, der Dom und andere Motive der Stadt abgebildet waren. Zorn gegenüber ragte ein riesiges Weinfass zur Hälfte aus der Wand.
    Er hatte sich vom Tresen das
Mitteldeutsche Tageblatt
geholt, trank den Rest seines Bieres, rauchte und überflog einen Artikel, in dem der ungewöhnlich lang anhaltende Regen thematisiert wurde. Es wurde darüber spekuliert, ob der stetig steigende Pegel des Flusses langfristig eine Gefahr für die Stadt darstellen könne und ob die tiefer liegenden Gebiete nicht schon vor Jahren durch neue Deiche hätten geschützt werden müssen. Gelangweilt wollte Zorn umblättern, als er angesprochen wurde.
    »Ist hier noch frei?«
    Henning Mahler schien sich in den letzten Tagen weder umgezogen noch rasiert oder gewaschen zu haben. Er stand gebeugt vor Zorn, die Hände in den Taschen eines grünen Regenmantels und verbreitete einen säuerlichen Geruch.
    Zorn warf einen Blick über das fast leere Lokal.
    »Natürlich.« Er faltete die Zeitung zusammen und legte sie neben sich. Mahler zog den nassen Mantel aus und setzte sich gegenüber. Der Kellner, ein höchstens zwanzigjähriger, glattgesichtiger Junge mit Pferdeschwanz und Ohrring kam herbeigeschlendert und zückte wortlos seinen Block.
    »Auch eins?« Zorn wies auf sein Bier.
    Mahler nickte.
    »Zwei«, sagte Zorn, und der Kellner schlich

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