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Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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Leiche!«
    Schröder räusperte sich. »Wir haben sie an der alten Papiermühle gefunden, direkt neben dem Wehr.«
    »Sicher, dass sie es ist?«
    »Die ersten Ergebnisse bekommen wir heute Nachmittag, aber wir können ziemlich sicher sein.«
    »Weil?«
    »Sie ist übersät mit Schnittwunden und nahezu vollständig ausgeblutet.«
    »Was sagt der, der sie gefunden hat?«
    »Nichts, Chef.«
    »Wieso?«
    »Er bellt.«
    Zorn sah Schröder lange an. »Wenn du jetzt nicht Klartext redest, bin ich es, der dir den Arsch aufreißt.«
    Schröder erklärte kurz, dass sie nicht einen, sondern zwei Tote gefunden hatten und davon ausgingen, dass der alte Mann, der neben der Leiche lag, einem Herzanfall erlegen war. Der Hund hatte so lange gebellt, bis ein Architekt, dessen Grundstück auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses lag, die Polizei alarmierte.
    »Der alte Mann war vermutlich sofort tot. Muss einen schlimmen Schock erlebt haben. Sie sieht nicht besonders …«, Schröder suchte nach dem richtigen Wort.
    »… appetitlich?«
    »Ja, die Krähen hatten sich schon an ihr zu schaffen gemacht.«
    »Was ist mit Spuren am Fundort?«
    »Da gibt’s wenig Hoffnung, Chef. Am Montag wurde die Blutlache entdeckt, und wenn wir davon ausgehen, dass sie unmittelbar nach der Tat zum Fundort gebracht wurde, hat sie seit eben diesem Montag dort gelegen. Beziehungsweise gesessen.«
    »Gesessen?«
    »Auf einer alten Parkbank, direkt am Wasser. Heute ist Freitag, und es hat ja ununterbrochen geregnet, da wird wenig zu finden sein.«
    »Sie hat also insgesamt …«
    »… fast fünf Tage im Freien verbracht«, vollendete Schröder.
    »Danke, da wär ich von alleine nicht drauf gekommen.«
    »Man hilft, wo man kann, Chef«, sagte Schröder ernst und fuhr sich mit der Hand über den spärlichen Scheitel.
    »Wer sagt uns eigentlich«, fragte Zorn., »dass sie nicht später dorthin gebracht wurde? Dienstag? Mittwoch?«
    »Oder gestern.«
    »Oder gestern.«
    »Tja, niemand sagt uns das. Im Moment jedenfalls nicht, aber auch das wissen wir spätestens heute Nachmittag, wenn wir den Bericht der Spurensicherung haben.«
    »Der geht zuerst an Sauer.«
    »Der Bericht?«
    »Ja. Der Obduktionsbericht auch.«
    »Das ist hochgradiger Schwachsinn«, sagte Schröder, »wenn die Bemerkung gestattet ist.«
    »Das ist sie. Sauer ist zwar ein Lackaffe, aber nicht dumm. Irgendwas bezweckt der.« Zorn drückte die Zigarette aus und fuhr fort: »Es gibt doch aber Möglichkeiten, sowohl bei der Spurensicherung als auch in der Pathologie die wichtigsten Dinge in Erfahrung zu bringen, bevor Sauer davon was mitbekommt, oder?«
    »Ich müsste einige Telefonate führen.«
    »Tu das. Und ich möchte, dass du bis Montag einen dicken, fetten Bericht verfasst, den wir Sauer vorlegen können. Es ist mir egal, was du schreibst, von mir aus übers Wetter oder über deine sexuellen Vorlieben, Hauptsache, Sauer hat was zu lesen.«
    Schröder wurde blass. »Chef, das …«
    »Das mit den sexuellen Vorlieben war ein Scherz.«
    »Das ist mir bewusst, aber es ist Wochenende!«
    Zorn legte die Hand hinter das linke Ohr und tat, als würde er lauschen. »Höre ich da etwas wie einen leichten Widerspruch?«
    Empört riss Schröder die Augen auf. »Allerdings!«
    Für ein paar Sekunden wurde es still im Büro, nur das Rauschen der Heizung und das monotone Klopfen des Regens waren zu vernehmen.
    Zorn sah Schröder an.
    Schröder sah Zorn an.
    Zorn griff zur Zigarette.
    Schröder kratzte sich am Kopf. »Reichen fünfzig Seiten?«
    »Hundert sind besser.«
    Zorn öffnete die Tür, zum Zeichen, dass sie jetzt fertig seien, doch Schröder machte keine Anstalten, zu gehen.
    »Sonst noch was?«, fragte Zorn.
    Schröder trat von einem Bein aufs andere. »Es geht um eine Anzeige.«
    »Und?«
    »Wegen Fahrerflucht und Beamtenbeleidigung.«
    Zorn sackte innerlich zusammen, ließ sich jedoch nichts anmerken.
    »Von einem gewissen Wachtmeister Kusch aus dem dritten Revier. Gegen einen gewissen Claudius Zorn.«
    »Blödsinn!« Zorn spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach.
    »Ich will ja nichts sagen, Chef, ab–«
    »Dann sag auch nichts!«
    Als Schröder gegangen war, stand Zorn eine Weile da und dachte nach. Dann drehte er sich abrupt um, schlug mit voller Wucht auf den Schreibtisch und ließ einen Fluch vernehmen, der selbst dem härtestgesottenen Zuhälter die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte.
    Er setzte sich, zündete eine Zigarette an und wartete auf den Feierabend. Das Wichtigste

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