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Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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zurück in Richtung Tresen.
    »Danke«, sagte Mahler.
    »Wofür?«
    »Ich weiß nicht.« Mahler betrachtete seine Fingernägel. »Dafür, dass ich hier sitzen kann.«
    Mehr, dachte Zorn, kann ich dir auch nicht bieten. Du brauchst jemanden, mit dem du sprechen kannst. Aber worüber soll ich mit dir reden? Über deine tote Frau? Deine Kinder, um die du dich jetzt allein kümmern musst? Dein großes, schreckliches Haus, das du wahrscheinlich noch gar nicht abgezahlt hast?
    »Scheißregen«, sagte Mahler und räusperte sich.
    Ah, das Wetter. Gutes Thema, dachte Zorn und sagte: »Ja, der hört wahrscheinlich niemals auf, dieser bescheuerte Regen.«
    Dann brachte der Kellner das Bier. Sie schwiegen eine Weile und tranken. Die Trauer, die Mahler umgab, schien förmlich greifbar, und doch war dieses Schweigen zwischen ihnen nicht unangenehm oder peinlich. Die Minuten vergingen, und Zorn spürte erleichtert, dass Mahler einer dieser seltenen Menschen war, mit denen man einfach nur sitzen kann, stundenlang, ohne dass etwas gesagt werden muss. Und Henning Mahler erwartete keinen Trost.
    *
    Philipp Sauer lag im Bett und starrte an die Decke. Wenn alles gut lief, würde er spätestens in zwei Jahren Oberstaatsanwalt sein. Das war sein Plan. Ein Plan, den er schon vor vielen Jahren gefasst hatte und dem er bisher kompromisslos gefolgt war.
    Das, worauf er sich vor langer Zeit eingelassen hatte, war vielleicht ein Fehler gewesen, er war sich nicht sicher. Aber er hatte damals keine Wahl gehabt. Und auch jetzt war es nicht anders: Er musste tun, was von ihm verlangt wurde. Und es würde niemals aufhören.
    Das machte ihn wütend. Sehr wütend.
    Er hörte, wie im Bad die Dusche abgestellt wurde, und schloss die Augen. Die Tür öffnete sich leise, zwei leichte Schritte, dann lag der andere neben ihm. Sauer roch die frische Seife, spürte, wie ihm jemand zwischen die Beine griff.
    »Zeit für die zweite Runde«, flüsterte sein Besucher.
    »Raus«, sagte Sauer, ohne die Augen zu öffnen.
    *
    »Was wirst du jetzt tun?«, fragte Zorn. Das Lokal hatte sich gefüllt, sie waren beim dritten Bier und wie selbstverständlich zum Du übergegangen.
    »Ich warte«, sagte Mahler.
    »Worauf?«
    »Dass es besser wird. Dass der Schmerz nachlässt. Darauf warte ich. Verstehst du?«
    »Ja«, sagte Zorn.
    »Glaubst du’s?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht.« Mahler nahm einen tiefen Schluck.
    »Der Schmerz wird immer da sein«, erwiderte Zorn. »Wenn du Glück hast, vergisst du ihn irgendwann. Aber er lässt nicht nach. Ich kann dir nicht helfen. Ich bin kein verdammter Psychologe, sondern einfacher Bulle. Mein Job ist es, herauszufinden, was passiert ist. Ich weiß nicht, warum ich dir das alles erzähle, eigentlich müsste es mir egal sein.« Zorn trank ebenfalls und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. »Aber es geht hier nicht nur um dich. Du musst dich um deine Kinder kümmern.«
    »Ja«, sagte Mahler. Das Licht der Kerze zwischen ihnen ließ die Schatten unter seinen Augen noch größer erscheinen, als sie eh schon waren.
    »Und rasieren solltest du dich. Und waschen, Henning.«
    »So schlimm?«
    »Ja«, lächelte Zorn. »Du stinkst.«
    »Dann sollte ich wohl langsam gehen.« Mahler machte Anstalten, sich zu erheben.
    »Das hat Zeit«, sagte Zorn und winkte den Kellner heran.
    *
    »Magst du ihn?«, fragte Mahler. Er musste jetzt ziemlich laut sprechen. Im hinteren Teil hatte man die Bar eröffnet, lautes Stimmengewirr und der hämmernde Beat eines verstaubten Dancetitels aus dem vergangenen Jahrhundert dröhnten herüber.
    »Wen?«
    »Deinen Job.«
    »Ich hasse ihn«, sagte Zorn, kniff die Augen zusammen und betrachtete den Rauch seiner Zigarette. »Genau wie diesen Song.«
    »Welchen Song?«
    »›Rhythm is a dancer‹. Was für eine gequirlte Scheiße.«
    »Ich habe keine Ahnung von Musik«, erwiderte Mahler.
    »Du Glücklicher.«
    »Wenn du meinst. Kann ich?« Mahler wies auf Zorns Zigarettenschachtel. Der nickte.
    »Ich habe noch nie geraucht, aber vielleicht hilft’s.« Mahler nahm einen tiefen Zug, schloss die Augen und atmete langsam aus. »Nein«, sagte er dann, sah die Zigarette kurz an und drückte sie wieder aus.
    »Schade«, sagte Zorn.
    »Ich habe dir angesehen, dass du ihn hasst.«
    »Den Song?«
    »Deinen Job. Als du das erste Mal bei mir warst.«
    »Echt?« Zorn lehnte sich zurück. »Dabei hab ich mir Mühe gegeben, so zu tun, als würde mich das alles interessieren. Nein«, korrigierte er sich dann, »es
hat
mich

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