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Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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Zorn und tat, als würde er ein paar Staubkrümel vom Tisch wischen. Dann wurde er wieder dienstlich. »Sauer wird den Bericht sowieso nicht lesen.«
    »Warum?«
    »Pathologie, Spurensicherung, alle Abteilungen haben Order, direkt an Sauers Büro zu berichten. Er hat sämtliche Untersuchungsergebnisse zuerst auf seinem Tisch und gibt sie dann an uns weiter. Warum sollte er sich die Mühe machen, unsere Berichte zu lesen, wenn er
vor
uns weiß, was wir wissen?«
    Schröder zuckte die Achseln. »Weil er der zuständige Staatsanwalt ist? Weil er erfahren will, was wir darüber denken? Immerhin leitest du die Ermittlungen, Chef.«
    »Er hält mich für einen Versager.« Zorn machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: »Dich übrigens auch.«
    »Das bin ich gewohnt.« Schröder gestattete sich ein kleines Lächeln.
    Er sieht aus wie ein kleiner, rothaariger Trottel, dachte Zorn. Aber er ist der lässigste Kerl auf Gottes weiter Erde. Ich sollte froh sein, dass ich ihn hab. Und ich muss höllisch aufpassen, dass er das nicht merkt.
    »Ich habe von Sauers Büro den Obduktionsbericht und den Bericht der Spurensicherung bekommen«, sagte Schröder, öffnete eine altmodische, lederne Tasche und legte zwei Ermittlungsakten auf den Tisch.
    »Was?«, fragte Zorn, der mit seinen Gedanken ganz woanders gewesen war.
    »Die tote Frau, die am Freitag gefunden wurde.«
    »Gibt’s was Neues?«
    »Wie man’s nimmt.« Schröder öffnete eine der Mappen. »Im Obduktionsbericht steht, dass das Blut aus der Kantstraße definitiv von dieser Frau stammt.«
    »So weit waren wir am Freitag auch schon.«
    »Die Schnittwunden sind über den ganzen Körper verteilt, die Tiefe variiert von wenigen Millimetern bis zwei Zentimeter.«
    »Wie viele sind es?«
    Schröder blätterte weiter. »Über hundert. Keine war tödlich. Es ist so, wie wir vermutet haben. Sie ist langsam verblutet. Wahrscheinlich über einen Zeitraum von mehreren Stunden.«
    »Er hat sich Zeit gelassen«, überlegte Zorn, »und garantiert nicht im Affekt gehandelt. Sonst noch irgendwelche Verletzungen?«
    »Ein leichtes Hämatom am Hinterkopf und Fesselspuren an Armen und Beinen.«
    »Er hat sie irgendwo niedergeschlagen, betäubt, in den Keller gebracht, zu Tode gefoltert. Was ist das für ein Typ, Schröder?«
    Schröder kratzte sich am Kopf. »Definitiv kein Triebtäter. Es gibt keinerlei Spermaspuren, und die –«
    »Er könnte ein Kondom benutzt haben.«
    »Möglich, aber es fällt auch auf, dass die Schnittwunden zwar über den ganzen Körper verteilt sind«, Schröder blätterte erneut und las dann vor: »… dass in Gesichts- und Vaginalbereich keinerlei signifikante Verletzungen erkennbar sind.«
    »Hm«, sagte Zorn, »vielleicht hat Sauer doch recht und es handelt sich wirklich um einen Psychopathen.«
    »Möglich«, erwiderte Schröder, »aber welcher Psychopath betäubt sein Opfer mit Schmerzmitteln, bevor er es verbluten lässt? Schmerz ist doch genau das, was er zufügen will.«
    »Das überlege ich auch die ganze Zeit.«
    »Wirklich, Chef?«
    Verdammt, dachte Zorn. Ich habe ihm tatsächlich ein Kompliment gemacht.
    »Sie muss bei vollem Bewusstsein gewesen sein«, meinte Schröder, »möglicherweise ein wenig benebelt, aber sie dürfte so gut wie keine Schmerzen gespürt haben. Wenn er sie wirklich komplett außer Gefecht hätte setzen wollen, dann hätte er ihr etwas anderes als ein schnödes Schmerzmedikament gegeben. Etwas Stärkeres.«
    »Gibt es Hinweise auf ihre Identität?«
    »Kaum. Eins achtundsechzig groß, Gewicht zweiundsiebzig Kilo, Ende vierzig bis Mitte fünfzig, dunkelblond, keinerlei erkennbare Narben oder sonstige ältere Verletzungen. Bis auf einen gut verheilten Schlüsselbeinbruch. Außerdem hat sie mindestens ein Kind geboren.«
    Zorn kratzte sich hinter dem Ohrläppchen.
    »Vermisstenkartei?«
    »Nothing.«
    »Dann wird Sauer an die Öffentlichkeit gehen müssen.«
    Schröder entnahm der Akte einen Stapel Fotos und legte sie auf den Tisch.
    »Die wurden in der Pathologie gemacht.«
    Zorn betrachtete die Bilder nachdenklich. Es handelte sich um ein gutes Dutzend grobkörniger, kontrastreicher Schwarzweißbilder, ein wenig überbelichtet, die die Leiche aus unterschiedlichen Perspektiven und Abständen zeigten. Verschiedene Aufnahmen zeigten die Verletzungen aus direkter Nähe, schwarze, schartige Wunden, die seltsam künstlich und unecht auf der wachsartigen Haut wirkten.
    Zorn griff eine Nahaufnahme des Gesichtes. Ein graues, lippenloses

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