Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
Vom Netzwerk:
Wesen starrte ihn mit gebleckten Zähnen aus leeren Augenhöhlen an.
    »Die Fotos helfen nicht wirklich.«
    »Nein«, sagte Schröder.
    »Ihr Gesicht sieht aus wie eine Dose Thunfisch.«
    »Das ist nicht witzig, Chef.«
    Zorn sah überrascht auf. Schröder erwiderte seinen Blick.
    »Nein«, seufzte Zorn dann. »Was ich meine, ist, dass wir die Bilder so kaum veröffentlichen können.« Er schob seinen Stuhl zurück. »Was ist mit dem Fundort am Wehr?«
    »Absolut keine Spuren. Es hat die ganze Woche geregnet, da ist nichts.«
    »Wie konnte er das wissen?«
    »Was?«
    Zorn stand auf und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen.
    »Er wollte, dass wir sie finden. Sonst hätte er sie besser versteckt. Außerdem konnte er nicht ahnen, dass der Regen sämtliche Spuren verwischen würde. Weil er nicht sicher davon ausgehen konnte, dass es vier Tage durchregnen würde.«
    »Es sei denn, er ist Hellseher. Oder Meteorologe.«
    Zorn sah Schröder an. »Soll das jetzt witzig sein?«
    »Keineswegs, Chef. Ich frage mich nur, woher er das alles weiß.« Umständlich stopfte Schröder die Akten zurück in seine Tasche. Dann stand er schwerfällig auf und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um.
    »Es sieht so aus, als würden wir nur das erfahren, was er will. Wir haben den Blutfleck, die CD und eine unbekannte Leiche. Ansonsten keine Spuren. Entweder er hat unwahrscheinliches Glück …«
    »Oder?«
    »Oder er weiß genau, wie wir arbeiten.«
    »Ein Bulle?«
    »Keine Ahnung.« Schröder kratzte sich am Kinn. »Ich war’s jedenfalls nicht.«
    »Ich auch nicht«, sagte Zorn.
    »Toll. Dann sind’s schon mal zwei Verdächtige weniger«, sagte Schröder und verließ das Büro.
    *
    »Wenn alles gut läuft, kann Ihre Tochter nächste Woche mit der Reha beginnen, Herr Mahler.«
    Der Arzt hatte Henning Mahler direkt vor dem Krankenzimmer angesprochen. Doktor Prakash sah sehr jung aus, er konnte nicht viel älter als dreißig sein, hatte schwarzes, gepflegtes Haar und einen kaum wahrnehmbaren Akzent. Er vermittelte den Eindruck, diese Art Gespräche schon hundertfach geführt zu haben. Eine perfekt dosierte Mischung aus Distanz und Mitgefühl, die nur die besten Ärzte aufbringen können. »Die Knochenbrüche sind gut verheilt, und sie braucht keine Antibiotika mehr.«
    »Gut«, sagte Mahler und wollte die Tür öffnen. Prakash hielt ihn zurück.
    »Es ist wichtig, dass Sie sie jeden Tag besuchen. Aber Sie sollten es ihr endlich sagen.«
    »Dass … sie nie mehr laufen wird?«
    »Ja.«
    »Ich weiß«, sagte Mahler.
    »Kein Mensch hat verdient, dass man ihn belügt. Am allerwenigsten der, den wir lieben«, erwiderte Prakash und blickte auf die Uhr. »Sie fragt übrigens ständig nach Ihrer Frau, Herr Mahler.«
    Mahler sah den Arzt lange an.
    »Was denken Sie, soll ich Ella zuerst sagen? Dass sie querschnittsgelähmt ist oder dass ihre Mutter tot ist?«
    *
    Am frühen Nachmittag verließ Zorn sein Büro, um in einem kleinen Zeitungsladen um die Ecke Zigaretten zu kaufen. Auf dem Parkplatz vor dem Präsidium hatten sich riesige Pfützen gebildet. Es regnete ausnahmsweise nicht, jedenfalls nicht richtig. Doch die Luft war feucht und klamm, ein unangenehmer, scharfer Wind blies, Zeitungsfetzen und verfaulte Blätter aus dem Vorjahr wurden über den Platz geweht.
    Zorn, der keine Jacke angezogen hatte, umrundete ein paar Streifenwagen und stampfte hastig Richtung Ausgangstor. Die Schultern hochgezogen, den Blick zu Boden gerichtet, ging er am Pförtner vorbei, bog um die Ecke und stieß mit einem massigen, uniformierten Beamten zusammen. Ohne aufzusehen murmelte er eine Entschuldigung und ging weiter.
    »Na, Herr Hauptkommissar? Schon Feierabend?«
    Wachtmeister Kusch war wesentlich größer, als Zorn ihn in Erinnerung hatte. Was nicht verwunderlich war, denn bei ihrer letzten Begegnung hatte Zorn am Steuer seines Volvos gesessen, während Kusch im Regen gestanden hatte.
    Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn wieder, denn er wusste nicht, was. Also drehte er sich um, ging zwei Schritte, blieb stehen und wandte sich wieder an Kusch. Der hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah Zorn ausdruckslos an.
    »Vielen Dank für die nette Anzeige«, sagte Zorn, baute sich vor Kusch auf und holte tief Luft. Er kochte vor Wut. »Ich weiß nicht, was du damit bezwecken willst, aber dass ich mich jetzt mit einem Streifenbullen rumärgern muss, hat mir gerade noch gefehlt. Du wirst es nicht glauben, aber ich hab tatsächlich

Weitere Kostenlose Bücher