Zorn - Tod und Regen
zusammenhängen. Und ob eine Verbindung zu den Morden an Sigrun Bosch und Staatsanwalt Sauer besteht.«
Es entstand eine kurze Pause. Schröder nutzte den Moment und schnappte nach einem weiteren Brötchen, dem fünften mittlerweile. Der Psychologe hockte mit halb geschlossenen Augen zurückgelehnt in seinem Stuhl und machte den Eindruck, als döse er vor sich hin.
Zorn antwortete mit einer Gegenfrage. »Was halten Sie von dem Ganzen, Frau Borck?«
Wenn du wirklich so schlau bist, weißt du bestimmt schon, wer der Mörder ist, dachte er und lehnte sich zurück.
Sie strich sich eine Locke hinter das Ohr.
»Ich denke, dass wir zuerst einen konkreten zeitlichen Ablauf festlegen sollten. Die bisherigen Ermittlungen scheinen ein wenig chaotisch verlaufen zu sein.«
Zorn setzte zu einer heftigen Erwiderung an, sie hob die Hand und meinte: »Das ist jedenfalls mein Eindruck, vielleicht irre ich mich auch. Eines ist jedenfalls Fakt: Wenn wir genau wissen, was wann passiert ist und die Zusammenhänge klären, erfahren wir auch irgendwann das Warum.«
»Vollkommen richtig.«
Zorn sah überrascht auf, als Doktor Keitel sich so plötzlich zu Wort meldete.
»Ich glaube auch«, sagte der Psychologe und nahm seine Brille ab, »dass alles, was in den letzten Wochen geschehen ist, miteinander zu tun hat. Was uns fehlt, ist der Auslöser. Das, was diese Lawine losgetreten hat. Wir sollten ganz von vorn anfangen.«
»Also bei Sigrun Bosch?«, fragte Zorn.
»Vielleicht auch vorher.« Keitel sprach langsam, jedes einzelne Wort schien genau überlegt zu sein. »Was ist mit Tom Mahler, dem Jungen, den Sie gestern gefunden haben? Wann genau ist er gestorben?«
Schröder hob die Hand, als würde er sich im Unterricht zu Wort melden. »Vor zwei bis drei Wochen, sagt der Gerichtsmediziner. Genaueres erfahren wir im Laufe des Tages.«
»Er wurde also vor Sigrun Bosch getötet«, sagte Frieda Borck.
Keitel nickte. »Vielleicht liegt hier das Motiv. Die Morde an Sigrun Bosch, Staatsanwalt Sauer und wahrscheinlich auch an Hannah Saborowski könnten Folgen dieses ersten Verbrechens sein. Eines bedingt das andere, Ursache und Wirkung wechseln sich ab wie die Glieder einer Kette. Und noch etwas: Wenn ich das richtig verstanden habe, hat Clara Mahler am selben Tag Selbstmord begangen, an dem Sigrun Bosch getötet wurde, richtig?«
Schröder brummte zustimmend. »Und sie wurde vor ihrem Tod misshandelt. Wir können allerdings nicht sagen, von wem. Darf ich?« Er wies auf den Teller. Da niemand antwortete, nahm er das letzte Brötchen. »Ich habe seit gestern so gut wie nichts gegessen«, entschuldigte er sich, biss hinein und fuhr kauend fort: »Im Moment deutet alles auf Henning Mahler, zumal es scheint, als wäre er jetzt auch noch untergetaucht. Wir können ihn nicht finden.«
»Aber es gibt keine direkte Verbindung zu Sigrun Bosch, Philipp Sauer oder Hannah Saborowski«, gab Zorn zu bedenken. »Das haben wir gründlich geprüft.«
»Dafür haben wir den ermordeten Sohn und eine tote Ehefrau«, erwiderte Schröder. »Nicht zu vergessen die Initialen auf dem Kirchturm.«
Keitel kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Was ist mit den letzten drei Opfern? Hannah Saborowski hat für Staatsanwalt Sauer gearbeitet. Der wiederum verschleppt die Ermittlungen im Fall Bosch, aus welchen Gründen auch immer. Und bei Frau Bosch wurde dieselbe Buchstabenkombination wie bei Sauer gefunden.«
»Sivo.«
»Richtig. Und in allen drei Fällen werden die Leichen unter mehr oder weniger spektakulären Umständen gefunden. Am Wehr, auf dem Markt und letzte Nacht am Bahnhof. Jedes Mal hinterlässt man Spuren. Im Fall Sigrun Bosch wird Ihnen ein Video geschickt, beim Staatsanwalt finden Sie die eingeritzten Zeichen, von Frau Saborowskis Handy erhalten Sie eine SMS , die Sie zur Leiche führt.«
»Was völlig überflüssig war«, erwiderte Zorn. »Sie wäre auch so gefunden worden.«
Frieda Borck seufzte.
»Wenn ich das richtig sehe, passt der Tod des Kindes nicht ins Muster. Der Junge wurde versteckt, während die anderen gefunden werden sollten.«
»Was ist mit dem Schmerzmittel bei Sigrun Bosch?«, fragte Zorn.
»Auch das fällt aus dem Rahmen«, nickte Keitel. »Wobei es denkbar wäre, dass das Medikament einen anderen Zweck erfüllen sollte, als wir bisher annehmen. Manche Schmerzmittel verzögern die Blutgerinnung, Buprenorphin zum Beispiel senkt den Blutdruck.«
Zorn horchte auf. »Sind Sie sicher?«
»Was die Wirkung betrifft, ja. Ob es für
Weitere Kostenlose Bücher