Zorn und Zärtlichkeit
mich nicht ins Vertrauen gezogen - denn er ist schrecklich böse auf mich, weil ich das Geheimnis Eurer Herkunft so lange für mich behielt.«
»Dann kommt wohl mir die Ehre zu, dir mitzuteilen, dass wir bald Schwäger sein werden«, sagte Jamie sarkastisch.
»Ich glaube Euch nicht!« rief Niall erschrocken. »Er würde sie Euch niemals geben! Sie ist seine Lieblingstochter!«
Jamie runzelte nachdenklich die Stirn. »Stört es dich, dass ich deine Schwester heiraten werde?«
»Was könnte Euch dazu veranlassen?«
»Wenn ich mich weigere, läßt mich dein Vater nicht frei.«
Niall hielt den Atem an. »Aber - Euer Clan wird Tower Esk stürmen...«
»Fergusson will meine Leute mit der Drohung fernhalten, er würde mich im Falle eines Angriffs töten. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als deine Schwester zu heiraten.«
»Lieber würde sie sterben!« stöhnte Niall.
Jamie lachte. Offenbar liebten Vater und Sohn jenes Mädchen gleichermaßen. Nun, Niall sollte ruhig glauben, dass es seine Lieblingsschwester war, die den Laird von MacKinnion heiraten musste . Diese Qual - die ohnehin nur von kurzer Dauer sein würde - hatte er verdient.
»Ja - sobald sie mir gehört, wird sie den Tod herbeisehnen«, prophezeite Jamie mit düsterer Stimme. »Aber ich werde dafür sorgen, dass sie am Leben bleibt.«
»Ihr werdet ihr doch nicht weh tun?«
»Oh, doch! Denn ich heirate sie nur gezwungenermaßen, und ich lasse mich nicht gern zwingen.«
»Es ist nicht ihre Schuld!« stieß Niall hervor. »Auch sie hat keine andere Wahl!«
»Darauf werde ich ebensowenig Rücksicht nehmen wie dein Vater.«
Niall begriff nicht, wie ein Mensch so rachsüchtig sein konnte, und sein Entsetzen wuchs. »Ihr habt sie noch nicht gesehen, MacKinnion. Sie ist wunderschön, und Ihr werdet Euch sicher freuen, wenn Ihr eine solche Frau bekommt.«
»Mein Junge, du verstehst das nicht«, erwiderte Jamie kühl. »Es spielt keine Rolle, ob sie das hübscheste Mädchen von Schottland ist oder nicht. Sie ist die Tochter deines Vaters, und dafür muss sie leiden. Nachdem ich sie in mein Schloss heimgeführt habe, wird sie es nie mehr verlassen. Ich werde sie in einen Turm sperren und zweimal am Tag besuchen - einmal, um sie zu schlagen, und das zweitemal, um sie zu vergewaltigen. So wird ihr Leben aussehen.« Über der Falltür herrschte Schweigen, und nach einer Weile fragte Jamie: »Hast du nichts mehr zu sagen, Niall Fergusson?«
»Wenn ich glaubte, dass Ihr meine Schwester wirklich so behandeln würdet, müßte ich Euch töten.«
Jamie lachte. »Versuch's doch! Aber damit würdest du dir nur selber die Kehle durchschneiden - ebenso wie deiner Schwester und deiner ganzen Familie. Du könntest den Laird von MacKinnion nicht töten und lange genug leben, um davon zu erzählen.« Die Falltür fiel zu, und Jamie ballte die Hände. Die Angst, die er dem Jungen gemacht hatte, milderte seinen Zorn keineswegs.
Nach einer knappen Stunde ging die Falltür wieder auf, und Nialls Kopf erschien in der Öffnung.
»Nun, hast du deinen Vater zur Rede gestellt?« fragte Jamie höhnisch.
»Nein. Jeder Versuch, ihn umzustimmen, wäre sinnlos. Außerdem ist er so wütend auf mich, dass er mir gar nicht zuhören würde.«
Jamie atmete auf. Der Junge war nicht zurückgekommen, um ihn einen Lügner zu nennen. Also wusste er noch nicht, dass seine Lieblingsschwester sicher vor dem wilden MacKinnion war. »Wenn du nicht mit Fergusson gesprochen hast - was führt dich dann zu mir?«
»Ich kann meiner Schwester morgen nicht gegenübertreten - nachdem ich weiß, was ich weiß«, gestand Niall unglücklich. »Wie soll ich es ertragen, sie leiden zu sehen? Ihr habt bestätigt, was sie Euch zutraut. Deshalb wird sie lieber sterben, als mit Euch zu gehen.«
»Glaubst du, ich lasse es zu, dass auch meine zweite Frau Selbstmord verübt?«
»Vielleicht wäre der Tod dem Leben vorzuziehen, das sie an Eurer Seite führen wird.«
»Du muss t noch eine Menge lernen, mein Junge«, spottete Jamie. »Solange sie am Leben ist, brauchst du die Hoffnung nicht fahrenzulassen.«
»Ihr macht mir nicht viel Hoffnung, Laird, und ich habe solche Angst um meine Schwester. Deshalb bin ich gekommen - weil ich Euch um Gnade bitten will. Verschont sie - denn sie hat Euch nichts getan. Bitte!«
Jamie war gerührt. Niall hatte zweifellos Mut, und er liebte das Mädchen aufrichtig.
»Hör mir jetzt gut zu, mein Junge. Ich habe kein Mitleid mit deiner Schwester. Du muss t dich an deinen
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