Zorn und Zärtlichkeit
allemal zu beenden.«
Sheena biß sich auf die Lippen. »Hör nicht auf ihn, Vater! Gib den Mann frei, und zum Dank dafür soll er dir schwören, dass er auf weitere Angriffe verzichten wird.«
»Das Wort eines MacKinnions ist wertlos«, wandte William tonlos ein.
»Wie willst du das wissen, Vetter?« fauchte sie ihn an.
»Schluß mit dem albernen Geschwätz!« rief Dugald ärgerlieh. »Das alles braucht dich nicht zu kümmern, Sheena, also laß uns gefälligst allein!«
»Aber...«
»Geh! Heute abend kommt dein Verlobter, um mit uns die Hochzeitsfeierlichkeiten zu besprechen. Du solltest dich auf seinen Besuch vorbereiten.« Dugald schwieg, bis sie die Halle verlassen hatte, dann wandte er sich an seinen Sohn: »Auch du wirst jetzt verschwinden, Niall. Und damit wir uns richtig verstehen - wenn du unserem Gefangenen noch einmal zu nahe kommst, wirst du die nächsten Jahre an einem englischen Hof verbringen.«
Sheena war am Treppenabsatz stehengeblieben, um auf ihren Bruder zu warten. Sie verstand nicht, was William zu ihrem Vater sagte, denn die Entfernung war zu groß. Aber sie ahnte es. »Gott helfe mir, Niall. Ich weiß nicht, was ich tun werde, wenn er mich mit James MacKinnion verheiratet.«
»Red doch nicht solchen Unsinn!« schimpfte der Junge.
»Oh, wie ich William hasse!« zischte sie. »Glaub mir, ich würde ihn umbringen, wenn ich dafür nicht in der Hölle schmoren müßte!«
»Deine Sorgen sind verfrüht. Ich bezweifle, dass Vater diesmal auf Willie hören wird. Du bist doch schon verlobt. Wenn er sein Wort bricht, das er Sir Alasdair gegeben hat, würde er eine Fehde mit den MacDonoughs heraufbeschwören.«
»Wäre das von Belang, wenn er ein Bündnis mit den MacKinnions schließen könnte?«
Niall runzelte die Stirn. »Das ist die Frage... Trotzdem brauchst du vorerst keine Angst zu haben. Wer weiß, ob MacKinnion eine Fergusson nehmen will? Warum sollte er?«
»Genau das habe ich William auch gesagt«, entgegnete sie mutlos, »aber er behauptet, jeder Mann, der mich sieht, würde mich begehren.«
Nialls Herz wurde schwer, als er sich an sein Gespräch mit dem Gefangenen erinnerte. James MacKinnion hatte Sheena bereits gesehen, und er wollte sie haben. Der Junge verstand nur zu gut, dass sie sich vor dem wilden Hochländer fürchtete. Wenn er nur wüßte, wie er sie retten könnte... »Er weiß nicht, dass du das Mädchen seiner Träume bist«, versuchte er sie zu trösten.
Verblüfft starrte sie ihn an. »Wie meinst du das?«
»Ich - ich meine, dass er dich nicht kennt, also kann er nicht wissen, ob er dich haben will.«
»Und wenn Vater mich zu ihm führt?«
»Ich werde dich verstecken«, schlug Niall impulsiv vor.
»Wo denn? Kein Pächter würde mich gegen den Willen des Lairds aufnehmen.«
»Mir wird schon was einfallen.«
»Hoffentlich - denn ich schwöre dir, dass ich James MacKinnion niemals heiraten werde. Lieber sterbe ich!«
7.
James hielt eine Hand vor seine Augen, um sie vor dem Lichtstrahl zu schützen, der plötzlich in sein finsteres Gefängnis fiel. Ebenso unvermittelt wurde ein Bündel durch die Falltür herabgeworfen. Bettzeug? Sogar ein Kissen? Jamie runzelte die Stirn. Welchem Umstand hatte er diese Sonderbehandlung zu verdanken? Das Licht erlosch, und dann flammte es wieder auf. Eine Strickleiter glitt durch die Öffnung, ein Mann kletterte herab mit zwei Säcken, die an einer Schnur um seinen Nacken hingen. Sobald er den Boden des Verlieses erreicht hatte, stellte er sie ab, wandte sich zu Jamie und zeigte auf die Säcke. »Euer Abendessen. Ich habe Euch auch noch Wein, eine Kerze und ein paar andere Sachen mitgebracht.«
Jamie verzog keine Miene. »Pflegt Ihr alle Eure Gefangenen so maßlos zu verwöhnen?«
»Ich will mir kein Blatt vor den Mund nehmen, mein Junge. Denn ich weiß, wen ich vor mir habe - auch wenn wir uns noch nie begegnet sind. Ich bin Dugald Fergusson.«
Jamie stand auf, wie es die Höflichkeit gebot. »Und wer bin ich Eurer Meinung nach?«
Dugald hob die kastanienroten Brauen. »Leugnet Ihr, dass Ihr James MacKinnion heißt?«
Jamie seufzte. »Nein, das leugne ich nicht. Und was soll jetzt geschehen?«
» Dass Ihr hier gefangen seid, behagt mir genausowenig wie Euch. Aber es ist nun mal Tatsache, und ich wäre ein Narr, wenn ich keinen Vorteil daraus zöge.«
»Natürlich. Habt Ihr schon Verbindung mit meinem Clan aufgenommen?«
»Nein«, erwiderte Dugald nach kurzem Zögern. »Ich verhandle lieber mit Euch.«
»Mit mir?
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