Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zorn und Zärtlichkeit

Zorn und Zärtlichkeit

Titel: Zorn und Zärtlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
Vom Netzwerk:
Gedanken - weg von hier. Durch die nächstbeste Tür rannte sie in den Hof hinaus, und erst im hellen Tageslicht faßte sie den Entschluß, ihr Heil in der Freiheit zu suchen, um diesen Mann nie wieder sehen zu müssen. Sie lief zum Torhaus.
    Das Fallgatter war hoch gezogen. Sheena durfte sich nur ein paar Sekunden lang an dieser Gunst ihres Schicksals freuen, dann hörte sie den Ruf des Torhüters. Sie ignorierte ihn und stürmte weiter, doch jene andere Stimme, die Stimme, vor der sie floh, konnte sie nicht ignorieren. Die Stimme schrie ihren Namen, dicht hinter ihr, viel zu dicht...
    Eine Hand umklammerte ihren Arm wie eine Stahlklammer, riß sie nach hinten, und sie spürte, wie ihr Herzschlag aussetzte. Überwältigt von Angst, sank sie in einen schwarzen Abgrund und tat, was sie nie zuvor getan hatte - sie fiel in Ohnmacht.

14.

     
    »Ich glaube, sie kommt zu sich.«
    Eine weibliche Stimme rief Sheena ins Bewußtsein zurück. Die Worte klangen freundlich, und sie öffnete die Augen, um die Sprecherin zu sehen. Die Frau saß neben ihr auf dem Bett, und ihr Gesicht passte ebenso zu der Stimme wie ihr warmherziges Lächeln, die Besorgnis in ihren braunen Augen. So braun wie seine...
    »Ah, jetzt geht es Euch besser, nicht wahr, Fräulein? Ihr habt meinem Neffen einen ganz schönen Schrecken eingejagt.«
    Sheena gab keine Antwort. Die Frau nahm einen feuchten Lappen von der Stirn ihrer Patientin. Trotz ihres vorgeschrittenen Alters schimmerte ihr Haar immer noch kupferrot.
    »Wer seid Ihr?« fragte Sheena.
    »Lydia MacKinnion. Und der Junge hat mir erzählt, Ihr wärt Sheena MacEwen. Ach, was für ein hübsches Mädchen Ihr seid, Sheena! Hoffentlich ist unser Jamie nicht zu grob mit Euch umgegangen, als er Euch hierherbrachte. Ihr seid ohnmächtig geworden, wisst Ihr das?«
    Der Gedanke, dass sie in seinen Armen gelegen hatte, wenn auch besinnungslos, jagte einen Schauer über Sheenas Rücken. »Er - er hat mich hierhergetragen?«
    »Allerdings, und dann ließ er mich in aller Eile rufen«, berichtete Lydia kichernd. »Der Junge hat noch keine Frau kennengelernt, die bei seinem Anblick in Ohnmacht gefallen wäre.«
    »Und mir ist das noch nie passiert«, versuchte Sheena zu erklären. »Ich - ich weiß nicht, was über mich gekommen ist.«
    »Das spielt keine Rolle. Jetzt fühlt Ihr Euch wieder besser, und nur das ist wichtig.«
    »Ist James MacKinnion Euer Neffe?«
    »Ja, ich bin die Schwester seines Vaters - das heißt, ich war es«, verbesserte Lydia, und ein seltsam abwesender Ausdruck erschien in ihren Augen. »Mein lieber Bruder ist von uns gegangen. Er war ein guter Laird, der Rote Robbie, nicht so wie unser Vater, der - der...«
    »Bring meine Tante wieder in den Nordturm, Gertie.«
    Beim Klang dieser Stimme stockte Sheenas Atem. Sie hatte geglaubt, sie wäre allein mit der netten Dame. Aber nun traten James MacKinnion und Colen neben das Bett, während eine Dienerin herbeieilte, um Lydia auf die Beine zu helfen und sie aus dem Zimmer zu führen. Nachdem Sheena den leeren Blick der alten Frau gesehen hatte, vergaß sie ihre eigene mißliche Lage. »Was fehlt ihr denn, Colen?«
    Es war Jamie, der ihre Frage beantwortete. »Sie leidet an Anfällen, die sie ganz plötzlich übermannen - immer, wenn sie an unseren Vater denkt. Sie musste mitansehen, wie ihre Eltern ermordet wurden.«
    »Wie schrecklich!« flüsterte Sheena.
    Jamie nickte. »Damals war sie noch ein Kind - und seither ist sie geistesgestört.«
    »Sie war der einzige Mensch, der Zeuge jenes Verbrechens wurde«, fügte Colen hinzu, »der einzige, der erzählen konnte, was damals geschah und warum. Aber sie hat nie davon gesprochen. Wann immer man danach fragt, bekommt sie diesen sonderbaren abwesenden Blick und zieht sich in eine andere Welt zurück.«
    »Und die Mörder wurden nie gefaßt?«
    »Es war nur einer, Sheena - der alte Laird des Fergusson-Clans. Mein Großonkel übte Vergeltung, so wie es recht und billig war. Ihr seid Tiefländerin. Kennt Ihr den Clan Fergusson in Angusshire?«
    Sheena schluckte mühsam. Ein Hustenanfall enthob sie einer Antwort. Colen klopfte sie auf den Rücken, dann sank sie in die Kissen zurück. Sie schaute den Brüdern nicht in die Augen, denn wäre sie ihren Blicken begegnet, hätte sie diese Behauptungen bestreiten und die beiden Lügner nennen müssen. Es war MacKinnion gewesen, offenbar James' und Colens Großonkel, der Niall Fergusson, Dugalds Vater, gefesselt und geknebelt vor das Tor von Tower Esk

Weitere Kostenlose Bücher