Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)
mich
chaoszerstoerungschmerz
alleslöstsichauf
verliere ich den verstand?
*
»Das war keine Krankenschwester, Chef.«
»Was du nicht sagst.«
Sie standen auf dem Flur, die Spurensicherung war abgezogen. Das Zimmer, in dem der Priester gestorben war, hatte man mit rotweißen Bändern abgesperrt. Wachtmeister Bolldorf war längst gegangen, allerdings erst, nachdem er in der Personalabteilung Fotos sämtlicher weiblicher Beschäftigten des Krankenhauses begutachtet hatte. Keine von ihnen war es gewesen. Wenigstens das hatte er mit Sicherheit sagen können.
Zorn trat von einem Bein aufs andere. Er war wütend, er war müde, und er hatte seit über drei Stunden nicht geraucht.
»Hätte dieser Trottel nicht ein bisschen besser aufpassen können?«
»Es bringt nichts, wenn du deinen Frust an dem Jungen auslässt«, sagte Schröder. »Er macht sich selbst genug Vorwürfe.«
»Soll er.«
»Er dachte, es wär eine Krankenschwester, weil sie so aussah. Weil die Frau verkleidet war. Es ist immer dasselbe, Chef: Man sieht das, was man sehen will. Deine Augen sehen eine Uniform, dein Hirn sagt dir, dass es ein Soldat ist. Und du glaubst es.«
»Tu mir einen Gefallen Schröder. Verschone mich mit deinen Binsenweisheiten, okay?«
»Wie du meinst.«
»Sag mir lieber, wo sie die Klamotten her hatte.«
»Das wissen wir noch nicht. Das Krankenhaus ist groß, irgendwo wird sie einen unbeobachteten Spind mit einer Schwesterntracht gefunden haben. Das kriegen wir raus. Was den Zeitablauf betrifft«, Schröder kratzte sich am Hals, »haut alles hin. Die Frau brauchte nur ein paar Sekunden, um Giese die Kehle durchzuschneiden. Der Alarm ging sofort los, er springt an, wenn die Geräte etwas Ungewöhnliches messen. Aber als die echten Schwestern angerannt kamen, war die Frau bereits an der Stationstür.«
Zorn dachte an all das Blut.
»Sie muss ausgesehen haben wie ein Metzger.«
»Nicht unbedingt. Sie stand am Kopfende, das Blut ist zum großen Teil zur Seite gespritzt. Niemand hat in dem Chaos auf sie geachtet, wir haben keinen Zeugen.«
»Außer Bolldorf.«
»Richtig, Chef. Jetzt warten wir auf das Phantombild.«
Schröders Handy klingelte. Er nahm ab, meldete sich und hörte zu.
»Gut«, sagte er dann. »Legen Sie’s mir auf den Schreibtisch, ich melde mich.«
»Was ist?« fragte Zorn.
»Das war die Spurensicherung. Sie haben Haare gefunden, blonde Haare. Neben dem Bett und auf dem Flur. Sie stammen von einer Perücke.«
»Dann hat uns die falsche Schwester also ein kleines Andenken dagelassen.«
»Ja«, nickte Schröder. »Nicht viel, aber immerhin etwas.«
Eine Weile standen sie sich schweigend gegenüber. Zorn lehnte an der Wand. Langsam dämmerte ihm, was eigentlich in den letzten Stunden passiert war. Seine Knie wurden weich, er sackte ein Stück nach unten. Schröder trat näher, griff seinen Arm und sah zu ihm auf.
»Die Ärzte sagen, sie hätten alles versucht, Chef. Aber Giese hatte keine Chance.«
Zorn schwieg.
Was sollte er schon sagen?
*
Klappernd fiel die Tür ins Schloss, die Spinnweben an der Decke bewegten sich ein wenig vor, dann wieder zurück, als wären sie von unsichtbaren Fingern gestreift worden.
Der Hund erhob sich auf die Vorderpfoten und sah den Menschen erwartungsvoll an. Dieser würdigte ihn keines Blickes. Einen Augenblick stand er mitten im Raum, schwankte ein wenig, als wäre er betrunken. Der Boden war mit Gerümpel bedeckt, altes, verrostetes Werkzeug lag herum, eine Tüte mit Schrauben war ausgekippt, in der Ecke lehnte ein zerbeulter Spaten. Er schob mit dem Fuß ein paar Latten beiseite und blickte hinab auf die Gestalt unter der Plane. Sie bewegte sich nicht.
»Du stinkst. Hast du eingepinkelt?«
Er trug Jeans und einen schwarzen Kapuzenpullover, sein Gesicht blieb im Halbschatten verborgen. In der Hand hielt er einen hellen Leinenbeutel.
Neben der Tür lehnte ein alter, verzogener Holztisch. Putz war von der Decke gefallen und hatte sich überall auf der Tischplatte verteilt. Der Mensch stellte den Beutel ab und holte eine Flasche hervor. Mineralwasser.
Es zischte leise, als sie geöffnet wurde.
Der Hund kannte dieses Geräusch. Er zerrte an seinem Halsband und begann zu winseln.
»Spar deine Kraft«, sagte der Mensch, ohne den Hund anzusehen. »Du wirst sie noch brauchen. Bald.«
Dann trank er. Als er die Flasche absetzte, war sie zur Hälfte leer.
Er rülpste leise, wischte sich den Mund ab und trat sacht gegen die Matratze.
»Lebst du noch?«
Keine
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