Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)
seinen Geschmack war sie ein wenig zu stark geschminkt, aber trotzdem attraktiv. Äußerst attraktiv. Sie nickte ihm lächelnd zu und verschwand in Gieses Zimmer.
*
Schröder wühlte in seinen Hosentaschen und kramte eine Packung Kaugummi hervor. »Was die Fingerabdrücke betrifft, haben wir nur die des Priesters auf seinem Laptop gefunden, aber das hat nichts zu bedeuten. Der Täter kann Handschuhe benutzt haben.« Er hielt die Packung in die Runde. »Auch eins? Die sind zuckerfrei.«
Zorn schüttelte den Kopf, die Staatsanwältin ebenfalls.
»Die Leiche von Eric Haubold weist Abwehrverletzungen auf«, fuhr Schröder kauend fort, »wir haben fremde DNA-Spuren gefunden. Sie werden momentan verglichen, vielleicht landen wir ja einen Treffer.«
»Was ist mit der Fahndung nach Martha Haubold?«, fragte Frieda Borck.
»Läuft auf Hochtouren«, erwiderte Zorn, froh, endlich etwas Konstruktives beitragen zu können. Er nickte Schröder zu und stand auf. »Wir machen uns dann an die Arbeit.«
Wieder vibrierte das Handy der Staatsanwältin.
»Tun Sie das, meine Herren«, sagte sie zerstreut, nahm das Telefon und lächelte wieder.
*
Er war auf der Toilette, als der Alarm losging. Ein hoher, rhythmischer Pfeifton, der durch die gesamte Station gellte. Türen wurden geöffnet, leise Rufe ertönten, Schritte hasteten über den Flur.
Zwei Sekunden später war Bolldorf auf dem Gang. Rechts von ihm fiel die große Tür der Intensivstation zischend ins Schloss, links lagen die Patientenzimmer. Gieses Tür stand offen.
Bolldorf war jung. Und er war unerfahren, trotzdem wusste er sofort, dass etwas nicht stimmte. Er rannte los, nach zehn Schritten stand er vor dem Zimmer des Priesters, er sah den Stuhl, auf dem er fast die komplette letzte Woche verbracht hatte, seine umgekippte Thermoskanne lag neben der Tür, eine dunkle Lache hatte sich auf dem Linoleum gebildet.
Drinnen wurden die Rufe lauter.
Er ging hinein.
Es dauerte einen Augenblick, bis sich seine Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Drei, vier grün gekleidete Gestalten standen um das Bett, sie wandten ihm den Rücken zu, eine von ihnen musste der Arzt sein, mit leiser Stimme gab er Kommandos, von denen Bolldorf kein Wort verstand.
Er drängte sich ein wenig vor und stellte sich auf die Zehenspitzen. Zwischen den Schultern der Krankenschwestern erkannte er die lang ausgestreckte, leblose Gestalt des Priesters.
Zuerst glaubte er, dass ein Farbeimer umgekippt sei, das Laken war dunkel und nass. Die Geräte glänzten, sie waren feucht und verschmiert, dicke, ölige Tropfen rannen an der weißen Zimmerwand hinab.
Dann kam der Geruch.
Bolldorf wusste jetzt, was das war. Er kannte diesen Gestank. Das waren die Ausdünstungen eines frisch ausgeweideten Tieres. Sein Onkel war Fleischer, als Kind war er einmal dabei gewesen, als ein Schwein geschlachtet wurde. Und das, was sich hier überall im Zimmer verteilt hatte, war keine Farbe.
Das war Blut.
Sein letzter Gedanke war, dass er Hauptkommissar Zorn informieren müsse. Und dass er vergessen hatte, sich nach dem Pinkeln die Hände zu waschen. Dann sackte er ohnmächtig zu Boden.
Er hatte keine Zeit gefunden, seinen Hosenstall zu schließen.
Siebenundzwanzig
Durst.
Der Hund lag dicht an der Wand. Sobald er den Kopf bewegte, spannte die Leine an seinem Hals, er hatte nur ein paar Zentimeter Bewegungsfreiheit. Seit zwei Tagen hatte er nicht getrunken. Dieses Gefühl war ihm neu. Früher, als er noch in Freiheit gewesen war, hatte er immer etwas gefunden, eine Pfütze, eine Regentonne oder etwas Wasser aus dem Fluss.
Das Heizungsrohr war undicht, hier war anfangs ein wenig Flüssigkeit gewesen, ein paar rostige, brackige Tropfen, die unten am Verbindungsstück zum Heizkörper hingen. Darunter hatte sich ein kleiner Wasserfleck gebildet, doch auch der war schon längst ausgetrocknet. Er drehte den Kopf und fuhr mit der Zunge über die Stelle. Zwecklos, da waren nur noch staubige Dielen.
Der Hund hatte kein Zeitgefühl, er spürte nur, wie er langsam austrocknete, und wusste nicht, dass der Mensch seit ein paar Stunden wieder verschwunden war. Kurz darauf hatte das Bündel unter der Plane sich bewegt, seitdem war von der Matratze her ein Geräusch zu hören, als würde Metall auf Metall schleifen.
Das interessierte den Hund nicht. Er musste trinken.
Plötzlich richtete er sich auf, spitzte die Ohren und lauschte.
Auch unter der Plane wurde es still.
Von draußen näherten sich Schritte.
Der Mensch kam
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